Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Nationalismus. Aus zwei Weltkriegen klug geworden, so glaubten wir, hätte das alte Europa den nationalen Ungeist für immer begraben. Aber das war ein Trugschluss. Am helllichten Tage, als das Ende aller Geschichte und Klassenkämpfe bereits heraufgedämmert war, ist er aus seiner Gruft gestiegen und sucht nun wieder den Kontinent heim.Wie fast jede Ideologie der Gegenwart ist auch dieser Wiedergänger eine Ausgeburt des "langen 19. Jahrhunderts", das mit der Französischen und Industriellen Revolution begann und mit dem Ersten Weltkrieg
In den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg - für das Bürgertum eine Belle Époque -trat die Arbeiterbewegung ihren langen Marsch in die Institutionen an. Sie wuchs zu einer mächtigen Gegenkultur heran, die ihre Kraft aus dem Glauben an die Revolution zog und sich einen eigenen Kosmos der Erinnerung schuf, der in Österreich um das Jahr 1848 kreiste. An jedem 13. März, Jahrestag des Aufstands in Wien, zogen Tausende auf den Zentralfriedhof, um vor dem dort aufgestellten Obelisken der "Märzgefallenen" zu gedenken. Dass die Erinnerungskultur der Revolution einen anderen Blick auf das lange
Man hat ihn hierzulande vor allem als Autor einer wuchtigen "Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart" in Erinnerung, die 2006 auf Deutsch erschien und damals auch in der FURCHE anerkennend besprochen wurde: den Historiker Tony Judt. Judt war vielleicht von Anfang an dazu prädestiniert, in kein Schema zu passen: Enkel osteuropäischer Juden, geboren 1948 in London, seine Jugendjahre verbrachte er -von den Idealen des Zionismus begeistert -im Kibbutz, später studierte er in Cambridge und lehrte viele Jahre Geschichte in New York.Aus diesen vielfältigen Erfahrungen ergab sich Judts
Fünfhundert Jahre nach seinem Ableben ist Leonardo da Vinci der unangefochtene Superstar unter den Geistesgrößen, ein milliardenschwerer Goldesel. Ein veritabler Zweig der Kulturindustrie lebt heute von der Beschwörung seines Genies - des größten, das die Menschheit hervorgebracht haben soll. Von Leonardos Ruhm zehren Verlage undMuseen, Autoren, Restauratoren, Wissenschaftler, Filmemacher und nicht zuletzt Kunsthändler. Für schwindelerregende 450 Millionen Dollar kam Ende 2017 in New York eine Holztafel mit dem Antlitz des "Salvator Mundi" unter den Hammer.Das ist mit Abstand der
Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Wer spendet, tut anderen und sich selbst etwas Gutes. So weit, so banal? Aus den Gaben vieler Einzelner entsteht aber noch etwas anderes: ein Markt, auf dem im Jahr 2017 laut Spendenbericht des Fundraising Verbands allein in Österreich 660 Millionen Euro umgesetzt wurden. Für 2018 wird ein noch höheres Ergebnis erwartet. Was den Anteil der Spenderinnen und Spender an der Bevölkerung (rund 60 Prozent) und die durchschnittliche Summe pro Person und Jahr (113 Euro) angeht, steht Österreich im europäischen Mittelfeld. Das Spendenwesen ist indes ein globaler
Wer heute über die Alpen will, für den ist die größte Hürde der Stau am Brenner. Für Fußgänger sieht die Sache anders aus. Die Alpen wandernd zu überqueren, ist schweißtreibend, aber auch eine der schönsten Fernreisen, die man in Mitteleuropa unternehmen kann. Es gilt, auf steilen Wegen hohe Pässe zu erklimmen, der Witterung zu trotzen, und man lernt die Arbeit der alpinen Vereine schätzen, ihre markierten Steige und gastfreundlichen Hütten.Aber wie war das vor fünftausend Jahren? Als Jäger wie "Ötzi", angetan mit Bärenfellschuhen und ledernen Leggings, durchs Hochgebirge
Andechs, 1633: Die Soldaten schlugen im Dorf Öfen und Fenster ein. Denn sie litten nicht weniger Hunger als die Bauern.Für die Menschen des 17. Jahrhunderts hingen irdisches und himmlisches Geschehen zusammen. Der Himmel gab Fingerzeige, wie das, was auf Erden geschah, zu deuten war.Dass mit dem Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 ein Krieg begann, der wegen seiner Dauer als "Dreißigjähriger" in die Geschichte eingehen sollte, konnten die Zeitgenossen dieses Ereignisses nicht wissen. Aber dass Schreckliches in der Luft lag, wurde wachsamen Beobachtern spätestens Anfang Dezember desselben
So richtig es ist, das Augenmerk auf eine Weltgegend zu lenken, die zumeist als Krisenregion wahrgenommen wird, so wenig überzeugt Frankopans Versuch, das Gegenteil zu beweisen.Jeden Versuch, der intellektuellen Einigelung der Europäer entgegenzuwirken, kann man nur begrüßen. Das Buch "Licht aus dem Osten" des britischen Byzantinisten Peter Frankopan ist so ein Versuch. Wobei der deutsche Titel in die Irre führt, denkt man bei "Ex Oriente lux" doch unweigerlich an das Christentum und den Ort seiner Entstehung oder an den neuzeitlichen Orientalismus: die europäische Faszination für
"Für den Politologen Herfried Münkler ist der Dreißigjährige Krieg ein Modellfall, aus dessen Studium man Erkenntnisse für die Gegenwart ableiten könne."Bevor sie sich mit billigen Möbeln und schweren Autos einen Namen machten, standen die Schweden hierzulande in einem schlechten Ruf. Vor allem im niederösterreichischen Wald-und Weinviertel erinnert so manche Burgruine, Dürnstein oder Staatz zum Beispiel, an den Einfall schwedischer Truppen unter General Lennart Torstensson im Jahr 1645. Vielerorts, wie in Zwettl, findet man noch "Schwedenkreuze" mit Inschriften wie dieser aus dem
Sommer 1989Was ist eine Generation später aus den Erwartungen und Hoffnungen von damals geworden?"Europa steht vor einer Phase beschleunigten, tiefgreifenden und umfassenden institutionellen Wandels, der sich rückblickend, ähnlich wie 1989, als historische Zäsur erweisen könnte."Sommer '89" heißt ein aktuelles Lied der deutschen Rockband "Kettcar", das in den vergangenen Wochen öfters im Radio zu hören war. Es erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der im August 1989 in seinem "alten himmelblauen Ford Granada" von Hamburg ins Burgenland fährt und mit einem Bolzenschneider
Rettung?Routen sollen dichtgemacht werden, Mauern müssen her, heißt es. Im Bild: Zaun, der Marokko von der spanischen Exklave trennt.Das Erschreckende an der "Flüchtlingskrise" ist ja weniger, dass fremde Menschen massenhaft nach Europa kommen, sondern wie eine große Masse der Europäer darauf reagiert: mit Xenophobie, mit identitärer Paranoia, mit Abwehrreflexen -Reflexe, die so stark zu sein scheinen, dass viele Bürger bereit sind, ihrer Bewältigung alles zu opfern, was an Europa gut und schön war, nicht zuletzt unsere Freiheit.Dabei sind die flüchtenden Menschen doch nur
Ob durch Wahlen oder Partizipation: Demokratie lebt davon, dass Bürger sie auch emotional erfahren.Als junger Mensch, der zum ersten Mal an der Wahl des nationalen Parlaments teilnehmen durfte, betrat man das Wahllokal mit erhabenen Gefühlen: Endlich war man vollwertiger Teil der Gesellschaft geworden! Die eigene Meinung hatte genug Gewicht angesetzt, um sie in die große Waagschale der Demokratie zu werfen. Die erniedrigende Zeit des Stimmbruchs war vorbei, jetzt besaß man eine Stimme, die zählte. Das Wissen darum, dass man nur ein winziger Teil in dem großen Ganzen war und die eigene
Europäischer Größenwahn, ins Depressive gewendet, und krude
Mischungen aus Äsop, Spengler und "Pulp Fiction" singen das Lied vom
Untergang Europas und fordern "Wehrhaftigkeit" ein.
Was wird mit dem Homo sapiens passieren, wenn die neuen Technologien
dem Menschen gottgleiche Fähigkeiten verleihen? Yuval Noah Harari
diagnostiziert in seinem Buch "Homo Deus" Dehumanisierung -
Handlungsanweisungen bringt der Autor aber keine.
John Williams erzählt den Werdegang von Augustus, der als Adoptivsohn
Cäsars nach dessen Ermordung das Erbe antrat. Jahrzehnte nach seinem
Erscheinen liegt der Roman nun auf Deutsch vor - und ist aktuell wie
je.
Menschliche Gesellschaften sind zu komplex, als dass ihre Entwicklung vorhersagbar wäre. Aber aus dem Blick in die Vergangenheit kann man mitunter für die Gegenwart (und die Zukunft) lernen.
Mitten durch das 20. Jahrhundert geht ein Bruch, so abgrundtief, dass er die Idee der Biografie an sich infrage stellt. Dieser Befund erweist sich auch am Leben des Jan Karski. Eine Biografie setzt voraus, dass die Person, deren Leben sie erzählt, über alle Wendungen und Brüche ihrer Geschichte hinweg am Ende doch mit sich selbst identisch bleibt. Aber wer konnte noch derselbe sein, nachdem er erlebt hatte, was Karski erlebt hat?In Karskis Fall hat sich der Bruch sogar seinem Namen eingeschrieben. Als er am 24. April 1914 in Łód´z zur Welt kam, taufte man ihn Jan Kozielewski. Seine
Der Historiker Yuval Noah Harari verdichtet in "Eine kurze Geschichte der Menschheit“ dieselbe auf 528 Buchseiten und provoziert dabei den Leser, selbst über die Geschichte nachzudenken.Dr. Harari, wie ihn seine Schüler respektvoll nennen, ist nicht einmal Ende dreißig und damit jung für einen Universalgelehrten. Immerhin lichtet sich sein Haar bereits und gibt eine hohe Stirn frei, die den Denker verrät. Der Historiker lehrt an der Hebrew University in Jerusalem und hält dort seit einigen Jahren Vorlesungen zur Geschichte der Menschheit: 70.000 Jahre in einem Semester oder, für
Am 14. Dezember jährt sich die Entdeckung des Südpols durch eine von Roald Amundsen geleitete norwegische Expedition zum hundertsten Mal. Das Datum markiert eine Zäsur.Roald Amundsen hatte für die letzten Tagesetappen die Parole ausgegeben: "Nur nicht hetzen!“ So zog der kleine Trupp Tag für Tag seine Spur über das Eisplateau, mit stetem Seitenblick auf den Kompass, bis der Entfernungsmesser 15 Meilen anzeigte. 15 Meilen pro Tag, einen Breitengrad in vier Tagen. Man dürfe die Hunde auf keinen Fall überfordern, hatte Amundsen den Männern eingeschärft. Sie durften jetzt nicht die
Er hat mit eigenen Händen ein ganzes Bauerndorf errichtet: Kirchenrestaurator Josef Geissler. Anfänglich wurde er belächelt, heute ist sein Wirken sogar Inhalt wissenschaftlicher Arbeiten.Die romantische Sehnsucht nach dem Landleben hat schon manchen verführt, sich ein altes Bauernhaus zu kaufen und im Schweiße seines Angesichts zu renovieren. Aber dass jemand sich ein Dorf aus alten Häusern zulegt, kommt eher selten vor. Josef Geissler hat genau das gemacht.Am Ortsrand seines Heimatorts Niedersulz im Weinviertel, dort wo der Sulzbach durch feuchte Wiesen plätschert, hat er mit den
Vor 150 Jahren starb Alexander von Humboldt. eine "Humboldt-Industrie" beliefert Aus diesem Anlass den Markt mit ihren erzeugnissen.In Mittelamerika, das er von 1799 bis 1804 bereiste, kennt ihn noch heute jedes Schulkind. In unseren Breiten erfreut er sich seit Daniel Kehlmanns satirischem Roman "Die Vermessung der Welt", der den berühmten Reisenden als schrulliges Genie porträtierte, wieder größerer Aufmerksamkeit: Alexander von Humboldt, Aufklärer, Forscher und Schriftsteller, geboren 1769 zu Berlin und gestorben im Alter von fast 90 Jahren am 6. Mai 1859 ebenda.Als Humboldt starb, war
Der Schriftsteller, Übersetzer und Journalist Ivan Ivanji feiert am 24. Jänner seinen 80. Geburtstag. Geboren im "multikulturellen" Banat im Norden Serbiens, pendelt Ivanji heute zwischen Belgrad und Wien, schreibt Bücher, ist ein gesuchter Gesprächspartner und wirkt als Vermittler zwischen Serbien und Europa.Es war die beste Zeit meines Lebens", sagt Ivan Ivanji über jene fünfzehn Jahre, während derer er dem jugoslawischen Staatschef Tito als Dolmetscher dienen durfte. Und fügt, fast entschuldigend, hinzu: "Es war ja auch das beste Alter in meinem einzigen Menschenleben."Man muss bei
Drehscheibe OstseeIn wenigen Jahren wird der "Nord Stream" durch die Ostsee fließen: eine 1200 km lange und mehr als einen Meter dicke Pipeline, die ab 2012 jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas vom russischen Hafen Wyborg nach Greifswald pumpen soll. An dem Fünf-Milliarden-Euro-Deal verdienen auch Österreicher mit. Die Voestalpine wird 200.000 Tonnen Grobblech liefern - wobei das Wort "Grobblech" in die Irre führt, denn es handelt sich um ein aufwendiges High-Tech-Produkt.Mit "Nord Stream" kommt in der Ostsee ein ebenso simples wie uraltes Geschäftsmodell zur Anwendung, mit dem schon
Die Versuche, in Büchern Österreich zu erklären, reichen von bemühten Schmähs und der Tradierung altbekannter Klischees bis zu banalen, aber realen Fakten, warum Österreich für eine neue Generation von "Piefkes" so attraktiv ist.Unabhängig davon, wie sein Team bei der "Euro 08" abschneidet, hat Österreich schon gewonnen. Die Europameisterschaft im Fußballspielen beschert den Gastgebern internationale Aufmerksamkeit, und die ist Gold wert in Zeiten, da Nationen sich als Marken verstehen und ihr Image nach außen kommunizieren müssen. Im Vergleich zur Breitenwirkung eines sportlichen
Martin Leidenfrost erzählt von der "Welt hinter Wien".Wer glaubt, dass es keine Utopien mehr gibt, der sollte mal nach CENTROPE fahren. So heißt "ein neuer grenzüberschreitender Lebens- und Wirtschaftsraum für mehr als sechseinhalb Millionen Menschen", der sich zwischen Wien und Bratislava, Brno und Györ erstreckt. 2003 von Landesregierungen aus Österreich, Tschechien, Ungarn und der Slowakei ins Leben gerufen, kann CENTROPE bereits auf eine stolze Zahl von Konferenzen, Basiskooperationen und Memoranden zurückblicken. Seit 2007 ist man "ready for take-off".Auch der
Die Abteilung "Kunst im öffentlichen Raum" des Landes Niederösterreich ist im Weinviertel seit Jahren mit einer Vielzahl von Kunstwerken aktiv. Rund um die Kleinstadt Mistelbach hat sich ein florierendes Kunst- und Kulturbiotop entwickelt.Der Landtagsabgeordnete war "not amused". Ausgerechnet ihn luden sie zur Eröffnung des Streckenabschnitts ein? Wer wie er jahrzehntelang vergeblich für den Bau der Autobahn gestritten hatte, dem konnte das winzige Stück Straße, das im September 1995 bei Paasdorf der Öffentlichkeit übergeben wurde, nur wie blanker Hohn vorkommen. Nicht dass es den
2000 Seiten Chronik des Gettos Lodz überlebten das Kriegsende und sind nun ediert: ein ergreifendes Werk.An einem kalten Sonntag im Oktober 1944 entwischte Nachman Zonabend den Bewachern und rannte zum Postamt des Gettos. Er ging durch die leeren, dunklen Korridore, die er so gut kannte, denn er hatte im Getto vor dessen Auflösung Briefe ausgetragen. Durch eine Hintertür betrat er das Nachbargebäude, wo das Archiv gearbeitet hatte. Die Böden waren bedeckt mit Papier, an einer Wand stand eine Reihe von verschnürten Koffern. Zonabend schaffte die Koffer in einen stillgelegten Brunnen und
Abwechslungsreich und pointiert ist Christopher Clarks Geschichte Preußens.Das Zündnadelgewehr: Die Preußen hatten es, die Österreicher nicht, als beide Staaten im Jahr 1866 um die Herrschaft in Deutschland kämpften und bei Königgrätz die Entscheidung fiel. Das Zündnadelgewehr erhöhte die Feuerkraft der preußischen Infanterie um ein Mehrfaches im Vergleich zu den Österreichern, die noch auf Vorderlader-Gewehre setzten. Sein Einsatz war damit kriegsentscheidend, wenn auch nicht der einzige Grund für den Sieg der "Piefkes", wie Christopher Clark in seiner Geschichte Preußens
Andrea Maria Dusl bleibt an der österreichischen Oberfläche.Die österreichische Oberfläche" kommt im saloppen grau-braunen Papp-Cover daher. Dahinter verbirgt sich ein Buch mit vielen kurzen Kapiteln, die einzelne Aspekte der österreichischen Kultur, Geschichte und Lebensart behandeln, zum Beispiel die Bedeutung der Nationalflagge oder die landesüblichen Grußfloskeln.Die Wahl dieser Form ist vermutlich dem Beruf der Autorin geschuldet. Andrea Maria Dusl ist - unter anderem - Kolumnistin beim "Falter", wo sie Leser-Fragen zu den verschiedensten Sachthemen beantwortet, und sie betreibt
Gesammelte Referate über Einzelattentate und Massenterrorismus.Das Attentat, schreibt der Althistoriker Alexander Demandt, erfülle "die aristotelischen Forderungen an den Stoff eines guten Dramas: Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung."Einige der dramatischsten Terrorakte der neuesten Geschichte, von den Schüssen am 28. Juni 1914 in Sarajewo bis zur Zerstörung des World Trade Centers am 11. September 2001, waren das Thema eines Seminars am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck. Die besten Referate sind nun gedruckt in Buchform erschienen, ergänzt um einen
Castel Gandolfo in der Wiener Spittelau.Die Geschichte des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) ist im Grunde die einer seit mehr als 25 Jahren andauernden Urlaubsreise. Von einer solchen kehrte nämlich der polnische Philosoph Krzysztof Michalski (Bild) 1981 nicht zurück; stattdessen gründete er gemeinsam mit Cornelia Klinger, Klaus Nellen und dem Priester Józef Tischner in Wien das IWM, mit der Intention, eine Begegnungsstätte für Denker aus Ost und West zu schaffen. Der an Heidegger geschulte Philosoph besitzt nicht nur ungewöhnliche Überzeugungskraft, sondern
Mit einem Symposium über internationale Solidarität feierte das Wiener "Institut für die Wissenschaften vom Menschen" sein 25-jähriges Bestehen.Die Teilnehmerliste las sich wie ein "Who is who" der internationalen Politik und ihrer Wissenschaft: Bronislaw Geremek, Giuliano Amato, Joschka Fischer, Kurt Biedenkopf, Danuta Hübner, Leszek Balcerowicz, Michael Sandel, James Hoge, Shlomo Avineri, Timothy Garton Ash, Saskia Sassen, John Gray, Charles Taylor … Und wenn am Ende einer oder zwei nicht auf dem Podium erschienen, so blieben doch genug Praktiker und Theoretiker des "Good Governance"
In Wolkersdorf erinnern 16 Tafeln an die jüdischen Familien der Weinviertler Gemeinde.Josef Lande ist froh. "Das ist ja Mazzes!", ruft er und greift nach dem Brot: "Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen, dass ich mit meinen 87 Jahren in Wolkersdorf Mazzes essen würde." Josef Lande ist ein freundlicher Herr mit weißem Schnurrbart, der noch den Charme des alten Österreich pflegt. Mit sichtlichem Behagen schaut er auf das Gewusel, das sich im kleinen Vorraum der Stadtbibliothek um das Buffet bildet. "Ich bin hier der Älteste", sagt er strahlend: "Ich habe die Nazis alle
Die heutigen Hausnummern sind ein Nebenprodukt schwieriger Datenerhebung zu militärischen Zwecken im 18. Jahrhundert.Haben Sie sich jemals gefragt, seit wann die Häuser Nummern tragen? Vermutlich nicht. Doch auch die Hausnummer hat eine Geschichte, die zu erzählen sich lohnt, wie Anton Tantner mit seiner Studie über "Hausnummerierung und Seelenkonskription in der Habsburgermonarchie" demonstriert.Wie anderswo in Europa ist auch in Österreich die Hausnummer eine Erfindung des 18. Jahrhunderts und damit einer Zeit, die besessen war davon, die Welt zu klassifizieren. Was Carl von Linné für
Meine Erfahrungen bei der sprachlichen Integration.Als Ausländer, heißt es, soll man sich als erstes bemühen, die Sprache des Landes, wo man sich integrieren will, zu lernen. Weil ich's mit den Fremdsprachen nicht so hab, bin ich nach Österreich emigriert, ein bisschen so wie meine Eltern, die immer in Österreich Urlaub gemacht haben, weil das zwar ein anderes Land ist und insofern Urlaub, aber man die Leute halt doch versteht, außer ihr Dialekt ist zu arg. Die Gemütlichkeit da, wissen S', die hat ihnen so gefallen. "Küss die Hand, gnä Frau": Meine Mutter war immer hin und weg, wie
Die EU braucht dringende Reformen, meint Erhard Busek.In der NATO herrscht Washington. In der EU herrscht das Unvermögen." - Knapper und treffender lässt es sich kaum ausdrücken: Eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik, die mit den USA auf Augenhöhe agiert, gibt es nicht. Auf diesem Gebiet hat Europa noch viel zu lernen. Das ist die schlechte Diagnose, die Erhard Busek den Lesern seines Essays über europäisches Krisenmanagement mitgibt. Die gute lautet: Europa ist lernfähig.Als Chef des Stabilitätspaktes für Südosteuropa spricht Busek aus Erfahrung. Er weiß, wie schwer sich
Die Anschaffung steht der eines PKW an Aufwand und sozialer Tragweite nicht nach.Als die Geburt unseres ersten Kindes näher rückte, häuften sich die Fragen besorgter Freunde und Verwandter, ob wir schon einen Kinderwagen gekauft hätten. Warum alle Welt ausgerechnet nach dem Kinderwagen fragte und nicht, sagen wir, nach dem Wickeltisch oder dem Babybett, war uns ein Rätsel, und wir reagierten stets achselzuckend: "Na, wieso?" Doch irgendwann ermüdete uns die Fragerei. Um ihr ein Ende zu bereiten, begaben wir uns in eine Shoppingmall südlich der Stadt, wo einer der großen Babyfachmärkte
Eine Biografie über den bayerischen Herrscher Franz Josef Strauß.Vieles aus dem Leben des Franz Josef Strauß werden wir niemals erfahren. Nachdem der bayerische Herrscher am 3. Oktober 1988 infolge eines Jagdausfluges gestorben war, setzte sich sofort die Vertuschungsmaschinerie in Gang. Im CSU-Staat gab es zu viele "Spezln" und "Amigos", die in die Günstlingswirtschaft des Strauß-Clans verstrickt waren. So vernichtete etwa das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz im Frühjahr 1990 ein Dossier der DDR-Staatssicherheit über Geldgeschäfte, Polit-Intrigen und das Privatleben von
Was die ungleichen Schwesterstädte Wien und Brünn verbindet.Noch 59 Kilometer bis zum Glück. CASINO MIKULOV steht groß auf der Hauswand, darüber lockt eine gelbrotschwarze Scheibe: ein stilisierter Roulettekessel. Die Brünner Straße ist hier 179 Hausnummern alt, und wer die Roulette-Reklame liest, kann eine Portion Glück gewiss gebrauchen, egal ob ihn das Schicksal ereilt hat, an dieser abgasgeschwärzten Ausfallstraße am Nordrand Wiens zu leben oder bloß die zweite Ampelphase nacheinander im Stau zu stehen.59 km bis zur tschechischen Grenze, danach noch einmal 50 km, und man ist in
Eine Biografie bietet prosaischen Einblick in das Leben des Geheimdienstchefs Maximilian Ronge.Achtung geheim! Neugier weckt man am besten durch deren Verbot. Daher rührt der Reiz von Spionagegeschichten. Dass es hinter den Kulissen der Geheimdienste eher prosaisch zugeht, wissen allenfalls die Leser von Graham Greene. Auch die Biografie des Generalmajors Maximilian Ronge ist so ein Lehrstück über die Banalität des Geheimen."Ernst, männlich, strebsam, ausdauernd, verlässlich": So beurteilten seine Ausbilder die "Gemüthsbeschaffenheit" des Zöglings Ronge, der 1893, knapp
Wie der Historiker in die Welt kam und wieder verschwindet.Wir schreiben das Jahr 2368. Das Raumschiff Enterprise unter dem Kommando von Jean-Luc Picard ist unterwegs zum Planeten Penthara IV, als es in einer Zeitkrümmung auf eine kleine Raumkapsel stößt. Die Kapsel ist eine Zeitmaschine und ihr einziger Insasse stellt sich als Professor Berlingoff Rasmussen vor, seines Zeichens Historiker aus dem 26. Jahrhundert, der gekommen ist, um die Geschichte zu erforschen.Der Historiker in der Zeitmaschine gehört zum Standardpersonal des modernen Mythos. Bestseller-Autoren wie Michael Crichton in
Die erste Biografie über Hans Frank zeichnet das Bild eines NS-Karrieristen, der sogar Goebbels beeindruckte: Frank sei kein Generalgouverneur, sondern ein politischer Verbrecher.Mit den Juden muss so oder so Schluss gemacht werden. Ich weiß, es wird an vielen Maßnahmen, die jetzt gegenüber den Juden getroffen werden, Kritik geübt. Bewusst wird immer wieder versucht, von Grausamkeit, von Härte usw. zu sprechen. Ich möchte Sie bitten, einigen Sie sich mit mir auf die Formel: Mitleid wollen wir grundsätzlich nur mit dem deutschen Volke haben, sonst mit niemandem auf der Welt."Mit diesen
Was man gewinnt, wenn man wieder lernt, zu Fuß unterwegs zu sein.Was ist eigentlich Gehen? Eine Art der Fortbewegung, werden Sie jetzt sagen. Und zwar eine recht altmodische, die sich nur für kurze Wege empfiehlt: den Gang zum Bäcker etwa oder zur Post. Früher war das anders. Bis vor kurzem blieb den meisten Menschen, wenn sie irgendwohin gelangen wollten, nichts anderes übrig, als ihre Füße zu benutzen. Entfernung spielte keine Rolle. Amerika wurde von Fußgehern entdeckt, vor etwa 11.000 Jahren, als nach der letzten Eiszeit die Beringstraße für eine Weile trocken lag. Und im 13.
Wie ein gealterter Popstar bezeugt der "Spiegel", 60, mit seinem Dasein eine glorreiche Vergangenheit.Der Spiegel war einmal das "Flaggschiff", der "Leuchtturm", er war das "Leitmedium" der deutschen Öffentlichkeit. Heute, 60 Jahre nach ihrer Gründung, ist die immer noch auflagenstärkste deutsche Wochenzeitschrift eine lebende Legende, so wie andere Popstars in dem Alter, die mit ihrem Dasein eine glorreiche Vergangenheit bezeugen.Die große Zeit des Spiegel war die Bonner Republik. Er gehörte zu Bonn wie Regierung und Parlament, wenn er auch oft die Rolle des Sands im Getriebe spielte.
Es gibt wenige, aber feine (Medien-)Initiativen, die eine "europäische Öffentlichkeit" fördern wollen - z.B. die Online-Presseschau "Eurotopics".Eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einem geeinten und demokratischen Europa ist das Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit. "Sehr bezeichnend für die ,Krise', in der wir uns befinden, ist das bescheidene Niveau der Zirkulation von Ideen, Vorschlägen und Debatten zwischen europäischen Intellektuellen, soweit es über Expertenrunden und philosophische Zirkel hinausgeht. Daher das Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit, ohne die
Gerhard Schröders "Entscheidungen" kletterten sofort an die Spitze der Bestsellerlisten.Gerhard Schröder hat es weit gebracht, nicht nur bis zum deutschen Bundeskanzler. Auch die Zweitverwertung seiner Politikerkarriere kann sich sehen lassen: Aufsichtsratschef bei einer Tochter der russischen Gazprom, Berater des Schweizer Medienkonzerns Ringier und endlich die Biografie Entscheidungen. Mein Leben in der Politik, die mit großem medialen Begleitfeuerwerk auf den Markt kam, als seit der verlorenen Wahl gerade ein Jahr vergangen war.Gefragt, warum so eilig, antwortete der Star-Autor: "Je
Tony Judts "Geschichte Europas" ist fundiert und packend geschrieben.Mit der Lektüre eines fast tausend Seiten umfassenden Buches zu beginnen - das will gut überlegt sein, zumal wenn es sich um ein Sachbuch handelt. Doch Tony Judts "Geschichte Europas" ist jedem, der sich auch nur einen Deut für das gegenwärtige Europa interessiert, ans Herz zu legen. Dem britischen Historiker, der in den USA lehrt, ist das seltene Kunststück gelungen, eine fundierte und zugleich packende Darstellung der europäischen Geschichte seit 1945 zu schreiben, die man bereits nach den ersten Seiten nur ungern
Zwei neue Studien über das Verhältnis der Deutschen zur Judenverfolgung 1933-1945.Frank McCourt unterrichtete schon seit einigen Jahren an der New Yorker Stuyvesant High-School, der besten High-School der Stadt, als ein Schüler namens Jonathan in seinem Creative Writing Course zu ihm sagte: "Mr. McCourt, Sie sind ein Glückspilz. Sie hatten diese unglückliche Kindheit, also haben Sie was, worüber Sie schreiben können." Da ist etwas Wahres dran. Denn später, mit 66 Jahren, nachdem er als Lehrer in Pension gegangen war, schrieb Frank McCourt tatsächlich ein Buch über seine
Alle Wege führen nach Rom - auch die Via Francigena, diealte Pilgerroute in die Ewige Stadt.Was tut ein Pilger, nachdem er den Jakobsweg gegangen ist? So mancher, der aus Santiago de Compostela heimkehrt, ist seither vom "Pilgervirus" infiziert. Die Symptome: Die Beine sind unruhig. Die Gedanken kreisen nur noch um das Gehen auf Wegen, die sich am Horizont verlieren. Man wacht nachts auf und fühlt sich allein, weil das vertraute Schnaufen und Schnarchen der 20 oder mehr Menschen fehlt, die mit einem das Lager in der Pilgerherberge teilten. Was tun gegen diese Symptome? Den Jakobsweg noch
Seit dem Schengen-Abkommen sind die Grenzen zwischen Österreich, Deutschland und Italien ein kilometerlanges Denkmal. Ein LokalaugenscheinWer das Wort "Grenze" hört, blickt mit dem inneren Auge unwillkürlich nach Osten. Das Wort lässt an die neue Außengrenze der eu denken, die sich weit nach Osten verschoben hat. In letzter Zeit rückt auch die Grenze zu den östlichen Nachbarländern, zu Tschechien, Ungarn, Slowenien und der Slowakei, wieder stärker ins Blickfeld. Denn bald schon, voraussichtlich im Oktober 2007, sollen die neuen eu-Mitglieder in den Schengen-Raum eingegliedert werden.