7121171-1996_37_19.jpg
Digital In Arbeit

Die Tragödie einer Kinderlosen

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Gesellschaft, in der nur die Mutterschaft einer Frau Lebenssinn gibt, führt Federico Garcia Lorca (1898-1936), der von den Faschisten ermordete Poet aus Andalusien, in seinem Drama „Yerma" vor Augen. Wie immer man Lorcas oft .schwulstig wirkende Sprache bewertet (die Ubersetzungen von Enrique Beck sind ja nicht unumstritten), sein Mitfühlen mit leidenden Menschen, seine einfachen, aus dem spanischen Leben gegriffenen Handlungsstränge packen das Publikum.

Die Hauptfigur Yerma, deren Name „brachliegendes Land" bedeutet, zerbricht an ihrer jahrelangen, unerfüllten Sehnsucht nach einem Kind. Ihr Mann, der Viehzüchter luan, will es nicht zeugen (was heutzutage ein klassischer Grund für die Annullierung einer katholischen Ehe wäre). Keine Geisterbeschwörerin, keine Wallfahrt kann ihr helfen, und den

Ehebruch versagt sie sich - der Ehre wegen.

luans Einstellung - ohne Kinder lebt man angenehmer, kann man mehr Geld anhäufen, das Leben besser genießen - klingt modern und verleiht dem archaisch-holzschnittartig wirkenden Stück aktuelle Bezüge. Sie ist aber, wie sich am Ende zeigt, aus der Not geboren: Juan, nicht Yerma, der es die Leute nachsagen, ist unfruchtbar. Als sie jeder Hoffnung auf Nachkommen beraubt ist, sticht sie ihren Mann mit dem ihr von ihm hingeschobenen Messer nieder (Begie-einfall), erwürgt ihn dann (gemäß dem Autor) und ruft aus: „Ich habe meinen Sohn getötet."

Im Wiener Volkstheater schält Regisseur Herbert König als Kern des Ehedramas heraus: Besitzdenken zerstört Liebe. Juan geht es um materielle Güter, Yerma um den Besitz eines Kindes. Vor einer Kulisse mit den Worten „tierra, sangre, muerte" (Erde, Blut, Tod), in einer angedeuteten Stierkampfarena, läuft das Geschehen wie in einer griechischen Tragödie ab. Abgesehen von einer schwer erträglichen Szene mit riesigen Fruchtbarkeitsmasken, Lichtzerhacker und dröhnender Musik ist die Inszenierung schlüssig und sehenswert. Daß sich einmal Juan, ein anderes Mal Yerma nackt zeigen, erscheint eher entbehrlich als peinlich.

Die Hauptdarsteller agieren nicht gerade wie spanische Bauersleute, aber darauf kommt es im Grunde nicht an. Neben Babett Arens (Yerma), die in Sprechtechnik, Mimik und Gesten eindrucksvoll die immer mehr am Leben verzweifelnde, leidenschaftliche Frau darstellt, bleibt Andreas Patton (Juan) in seiner nicht immer dankbaren Rolle ein wenig blaß. Das Publikum (bei der Premiere sehr Applaus-freudig) dürfte vor allem noch Anna Franziska Srna, Dietrich Adam, Rrigitte Neumeister und Judith Keller in nachhaltiger positiver Erinnerung behalten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung