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Ein Heiliger aus Tirol

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SANKT ROMEDIUS. Von Wolfgang von Pfaundler. Verlag Herold, Wien 1961. 144 Seiten, 120 Abbildungen. Preis 148 S.

Man mache den Versuch und blättere in großen Lexika: den Namen Romedius wird man nicht finden. Versteht sich sozusagen von selbst, daß man auch nicht Thaur findet. Wenn schon die Nachschlagewerke auslassen, ist es doppelte Pflicht, jenes Phänomen aufzuzeigen, das in der Durchdringung von Legende und Volksbrauch, von Landschaft und Menschenglauben ebenso aufstrahlt, wie es in einer Welt der Versachlichung tröstet. Heimatgeschichte ist schließlich nicht bloß ein Aufzählen von Flußläufen, von Bergen, von Flurnamen, von Siedlungsformen, von Zuständen in der Wirtschaft. Kultyrgcschichte erschöpft sich nicht im Verzeichnen künstlerischer Werke mit wohlwollendem, nicht immer ehrlich gemeintem Urteil über die Volkskunst, sondern Heimat- und Kulturgeschichte sind ein Ganzes, ein Unteilbares, aus dem man nicht nach Belieben das herausschneiden kann, was in den Kram paßt, Heimatgeschichte ist vor allem auch Darstellung des Volksglaubens. Hier — wie selten noch woanders — fühlt man deutlich den Puls schlagen, der im Wehen des Sturmes lebt und im Rauschen der Bäche, im Glitzern des Eises, das krachend zerbirst, im grünen Regen der Eschenblüten, im Gang der Prozessionen über die Felder, im Klange der Glocken, im sanften Schimmer geschnitzter Heiligenfiguren und in den Inschriften auf Votivtafeln.

Die Legende erzählt, daß Romedius im Schloß von Thaur als Sproß der „Grafen von Thaur“ geboren wurde. Thaur liegt nordwestlich von Solbad Hall in Tirol, an der sogenannten Dörferstraße, die nördlich der Bundesstraße von Rum nach Absam fleht.

Der Vorzug des vorliegenden Werkes liegt in der Geschlossenheit von Geschichte und Landschaft, von Volkskunst und Glauben. Es ist in nahtloser Weise gelungen, das Bild in die Darstellung einzufügen, es gibt eine Stimme in dem vielstimmigen Orchester ab. Um bei den Bildern zu bleiben: überaus erfreulich, daß man einen Weg gefunden hat, der die Lebensweise der Bewohner, die Landschaft an sich und, ein besonders zu rühmendes Beginnen, die Volkskunst als Ausdruck der Lebenshaltung zeigt (die Krippenschnitzer von Thaur, von denen heute Romed Speckbacher einer der bekanntesten ist). In einer Zeit, die nachdrücklich und mit Recht das unteilbare Tirol verficht, ist es tröstlich, zu sehen, wie hier, in der Bildgeachichtie von Sankt Romedius, das Wirken dieses Heiligen einem Tirol angehörte und mit diesem verwachsen ist, das keine Grenze am Brenner kennt. Als Sankt Romedius seine irdischen Güter verschenkt hatte, zog er sich ins Nonstal zurück, das man von Bozen aus über den Mendelpaß erreicht. Im Nonstal, in San Romedio, ist ein Wallfahrtsort entstanden (seit 1948 verwalten ihn die Franziskaner), und am Namensfest des Heiligen (15. Jänner) kommen, ungeachtet des zu dieser Zeit unwirtlichen Wetters, viele Pilger.

In einem Anhang des auf Kunstdruckpapier hergestellten, in der Gruppierung des Textes und der Bilder vorbildlichen Buches sind eine Fülle von Anmerkungen sowie, darauffolgend, die Literatur über Sankt Romedius verzeichnet. Da der vorliegende Band der erste in der Reihe „Heilige aus Österreich“ ist, darf den folgenden Bänden mit Spannung entgegengesehen werden.

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