Eingeseift und wechselwarm geduscht

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"Sänger im Bad": Der neue Gedichtband von Gerhard Ruiss enthält heisse, kalte, aber auch einige lauwarme Duschen.

Wer im Bad singt, ist ein Träumer. Die Musiker unter der Brause stehen selten auch tatsächlich auf der Bühne. Mit geschlossenen Augen träumen sie und glauben an die Magie ihrer Möglichkeiten. Gerhard Ruiss nennt seinen Lyrikband "Sänger im Bad". Ein Outing also? Doch was wird geoutet? Reimt Ruiss nur im Bad? Wirken die Gedichte nur im nassen Zustand?

Wer glaubt, mit Reimen nicht nur im Badezimmer etwas verändern zu können, ist ein "Sänger im Bad" und heillos verstrickt in Illusionen. Doch wenn die Wut und das Wüten des Dichters stärker ist als jeder Badezimmerdampf, dann ist es Zeit, die Tür zu öffnen und die Probe aufs Exempel zu versuchen: Wirken die Gesänge auch abgetrocknet in feindlich kalter Umgebung? Einige der Gedichte bestehen in diesem Härtetest, nicht weil sie zu einer großen Welterklärung ansetzen, einem großen Schmerz verpflichtet sind, sondern weil ein widerspenstiger Verstand zu spüren ist, der eingeseift durch manchen Reim sticht. Manche Pointen sind wie Nadelstiche, etwa in Ruiss' "zwischenbericht", wenn es heißt: "wir kommen gut/ mit unseren vorsätzen voran/ wir fangen schon so vorsätzlich/ zu werden an/ daß sich zweifel melden daran/ ob das noch vorsätzlich sein kann// wir fangen/ immer besser zu werden an/ soviel besser/ zu werden an/ daß sich zweifel melden daran/ wie lang das noch/ gut gehen kann// es geht unaufhaltsam/ mit unserer normalisierung voran/ wir fangen schon so normal/ zu werden an/ daß sich zweifel melden daran/ ob das noch normal sein kann."

Die Stehsätze, die hohlen Floskeln, die Killerphrasen sind sein Material. Er entwendet sie den Politikern und Journalisten, dreht und wendet sie, und manchmal ist das Aha-Erlebnis wie eine kalte Dusche: "man zählt/ auf mich/ man rechnet/ mit mir/ man baut/ auf mich/ man kalkuliert mit mir/ man spekuliert/ auf mich/ schön muß man nicht sein/ aber rentabel."

Da es auch ein Leben vor und nach dem Bad gibt, verweist Ruiss zuweilen auch auf den Ausgangspunkt seiner Gedichte hin, wie zum Beispiel im Fall der neuen Logos für die Präsentation der österreichischen "Auslandskultur" und der im gleichen Atemzug beschworenen Notwendigkeit, zu sparen.

Anlaßdichtung also, doch so löblich der Einsatz und so verständlich die Wut, nicht alles, was kurz und in kurzen Zeilen geschrieben wird, ist auch ein Gedicht. In diesem Band werden den Lesern auch einige lauwarme Duschen zugemutet.

Nicht in diese Kategorie fallen sicher die Mundartgedichte, böse, knappe Allerweltsweisheiten, die halblaut gesprochen werden wollen: "ged iagndwos/ ned oisa gacha/ waß ma/ des is/ da postenschacha// ged iagndwos/ ned oisa gschwinda/ schauts aus/ ois wa dea/ wos am auschiabt/ do ned gnua/ dahinta." Erfrischend ist Ruiss immer, wenn er die Phrasen des täglichen Lebens auswäscht und dann gedichtmäßig zum Trocknen aufhängt, sprich zum Betrachten und Lesen. Eine lange Wäscheleine schreiten wir ab, mit kleinen leuchtenden Taschentüchern ("das gute/ wäre schön/ ist aber nicht realistisch/ das schöne/ wäre gut/ ist aber nicht/ realistisch/ das realistische/ wäre gut/ ist aber/ nicht schön"). Einige stimmige Skizzen abseits jeglichen Zynismus ("kurzer aufenthalt", "mit rückfahrkarte") stechen hervor. Einige Sprachspielereien sind löchrig wie alte Hemden, man merkt, dass sie von anderen getragen wurden und diesen besser zu Gesicht standen. Bei vielen wartet man auf den Sänger, der aus dem Bad kommt und sie vorträgt, denn sie sind eben Partituren für einen Vortrag und wollen gesungen werden.

Sänger im Bad

Von Gerhard Ruiss

Edition selene, Wien 2001

243 Seiten, brosch., e 18,60

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