August Staudenmayers scharfer Blick auf Liebesprobleme.
Es ist das Sehen, das das Lieben unmöglich macht. Das Sehen des Objekts seiner Begierde. Wäre er blind, könnte er lieben, wäre der Weg seines Herzens frei." Es sind eigenartige Liebesqualen, die Lichtschek plagen. Nicht das vergebliche Sehnen oder die Schmerzen des Verlassenwerdens peinigen den Protagonisten von August Staudenmayers Erzählung Lichtschek oder der alte Apfel. Es ist die "Vorstellungssucht", die seine Beziehungen und Frauenbekanntschaften regelmäßig zunichte macht.
Dieser Lichtschek ist ein sonderbarer Mensch, eine Art Existenzkünstler, der verzweifelt nach Orientierung in der Welt sucht und zugleich danach trachtet, sich in einer der Nischen des Sozialstaates bequem einzurichten. So legt er es darauf an, vom Staat als berufsunfähig anerkannt zu werden. Ein Schnitt mit dem Rasiermesser quer durch die Wange soll dabei nachhelfen.
Der Autor ist ein Spezialist für das Protokollieren gescheiterter Lebensentwürfe. Das Personeninventar seiner Prosa bilden Außenseiter und Verlierer. In leicht abgewandelter Form bleibt Staudenmayer diesem Literatursegment auch dieses Mal treu. Konzentrierte er sich bisher auf das äußere Umfeld schräger Charaktere und skurriler Begebenheiten, so steht nun das Innenleben seines Protagonisten im Vordergrund. Der versucht, seinen Liebesproblemen zu entgehen, indem er Liebe und Sexualität voneinander trennt. Trotz großer Anstrengungen bleiben diese Bemühungen erfolglos. In Phantasien, Tagträumen und Erinnerungen unternimmt die Hauptfigur zahlreiche Versuche, dieses Misslingen zu verarbeiten. Symbol der degenerierten Liebeslust Lichtscheks ist ein immer wieder auftauchender alter Apfel, den er geschenkt bekommen hat, aber nicht wegzuwerfen wagt …
Dem Leser hat es nicht leicht, in den abgerissenen Erzählsträngen, Assoziationen, Symbolen und Kalauern der Erzählung die Orientierung zu behalten. Belohnt wird er aber mit Passagen von hintersinnigem Witz. Staudenmayer hat nicht nur einen scharfen Blick für das Abseitige, sondern ist auch ein geschickter Arrangeur, der Elend und Komik auf ganz eigenwillige Weise miteinander verbindet.
LICHTSCHEK ODER DER ALTE APFEL Erzählung von August Staudenmayer
Ritter Verlag, Klagenfurt 2007
120 Seiten, brosch., € 13,90
