Es wollen nicht alle für alle das Beste

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John Perkins' Bekenntnisse nähren einen Verdacht, bieten aber keine erhellenden Analysen.

Man kann sich ja schon fragen, warum es falsch läuft auf dem Planet, wo doch all die Gutmenschen immer erklären, wie man es richtig machen müsste", sinnierte Franz Josef Radermacher von der Global Marshall Plan Initiative. Die Ressourcen sind ungerecht verteilt, die Schere zwischen Arm und Reich wird größer, das alte Lied. "Das kann ein Unglück der Weltgeschichte sein. Es kann aber auch sein, dass auf der anderen Seite extrem gute Leute sind, die es genauso wollen, wie es ist", so Radermacher.

Den Verdacht, dass Menschen an der Spitze der Weltgesellschaft ein Interesse daran haben, dass die Güter der Erde so verteilt sind, wie sie es sind, diesen Verdacht nähren die Bekenntnisse von John Perkins. Perkins war als junger Ökonom Anfang der siebziger Jahre bei der amerikanischen Beraterfirma Chas. T. Main in Boston angestellt und dafür zuständig, Entwicklungsländern überhöhte Kredite anzuraten. Durch fabelhafte Wachstumsprognosen sollte Perkins Entwicklungsländer dazu bringen, hohe Kredite aufzunehmen, um Infrastrukturprojekte zu planen: Straßen, Elektrizitätsversorgung, Häfen und Gewerbeparks, die dann meist von amerikanischen Unternehmen wie Bechtel oder Halliburton gebaut wurden. Das heißt, das Geld floss realiter von einer amerikanischen Bank oder der Weltbank an ein amerikanisches Unternehmen. Übrig blieben überdimensionierte Projekte, Umweltzerstörungen und ein Haufen Schulden für die betroffenen Länder, da sich die fantastischen Wachstumsprognosen nie erfüllten.

Die Pointe von Perkins' Buch ist nun, dass dies kein Unfall in der Geschichte der Entwicklungspolitik war, kein bedauerlicher Fehler von Weltbank-Ökonomen, sondern volles Kalkül von einem Teil der handelnden Personen. Die Entwicklungsländer sollten damit in die wirtschaftliche Abhängigkeit der usa gebracht werden, schreibt Perkins.

Freilich, einen Masterplan der Verschwörer kennt auch Perkins nicht: Ob er selbst tatsächlich von der National Security Agency, dem amerikanischen Geheimdienst angeworben und ausgebildet wurde, lässt er ebenso im Ungefähren. Er konzediert auch, dass viele seiner Kollegen ihre Arbeit wohl mit gutem Gewissen taten. Aber er schreibt eben auch, dass er während seiner Ausbildung über die wahren Hintergründe seiner Arbeit aufgeklärt worden sei, und dass es durchaus Leute gab, die wussten, was gespielt wurde; die wussten, dass eine ökonomische Analyse nicht realistisch sein sollte, sondern so ausfallen musste, dass ein möglichst hoher Kredit dabei herauskommt. Kurz: Wer von den handelnden Personen es wissen wollte und will und nicht die Augen vor seinem Tun verschließt, kann es wissen und hat keine Entschuldigung.

Perkins' Buch ist ein "Bekenntnis": Man liest von vielen Selbstzweifeln, von zahlreichen Versuchen auszusteigen, von Frauen, von der Verführung durch Macht und Geld. Von einem Insider aber könnte man stattdessen doch etwas mehr Details über die beschriebenen Kreditgeschäfte erwarten.

Aber eine Analyse der ökonomischen Grundlage seines Tuns liefert Perkins nicht. Auch mit sensationellen Enthüllungen kann er nicht aufwarten: Er berichtet von seinen Begegnungen mit aufrechten Staatsmännern aus Entwicklungsländern: Omar Torrijos aus Panama und Jaime Roldos aus Equador gehören für ihn dazu: Sie verweigerten sich amerikanischen Wünschen und großzügiger Wirtschaftshilfe - und hätten das mit dem Leben bezahlt. Für Perkins ist klar, aber eben unbewiesen, dass die beiden von den "Schakalen" der cia umgebracht wurden. Andere Quellen als das, was in Zeitungen dazu stand, hat er freilich auch nicht.

Vielleicht ist dies auch dem Umstand geschuldet, dass weder Perkins noch sein Verlag Spaß haben, horrende Schadenersatzforderungen zu zahlen. Wer die Dinge im Ungefähren lässt und sich auf veröffentlichte Quellen beruft, kann kaum belangt werden.

John Perkins ist kein großer Schriftsteller, seine Prosa ist schlicht und die Übersetzung auch nicht immer glanzvoll. Aber trotzdem oder gerade deswegen kann man das Buch schnell lesen. Eine Urlaubslektüre für die, die dachten, Entwicklungspolitik sei im Prinzip von edlen Motiven getragen und würde manchmal wegen handwerklicher Fehler scheitern. Wer diese Illusion schon verloren hat, für den bringt das Buch freilich wenig Neues.

Bekenntnisse eines Economic Hit Man

Unterwegs im Dienst der Wirtschaftsmafia

Von John Perkins

Riemann Verlag, München 2005

384 Seiten, kart., e 19,60

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