"Fette Feministinnen"

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Buchtipp von Furche, Stube und Institut für Jugendliteratur

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Leider kein Foto für dich" - bei Jugendlichen populäre Castingshows wie Germanys Next Top Model zeigen in zugespitzter Form, was Frauen und Mädchen ständig erleben: Dass es sehr rigide gesellschaftliche Vorstellungen gibt, wie ihre Körper auszuschauen haben, um als schön zu gelten. Dass Feministinnen bereits seit Mitte der 1990er-Jahre den Begriff "body positive" einbringen, ändert nichts am scheinbar allgemeingültigen Konzept von "schlank = schön".

In den USA, wo einerseits Fettleibigkeit ein massives Gesundheitsproblem ist, andererseits bereits ganz kleine Mädchen in Schönheitswettbewerben zur Schau gestellt werden, ist dieser Trend besonders stark. Davon weiß Willowdean, die 16-jährige Ich-Erzählerin, ein Lied zu singen. Besonders bitter: In Clover City, der (fiktiven) texanischen Kleinstadt, in der sie lebt, gibt es nur einen gesellschaftlichen Höhepunkt, den jährlich stattfindenden "Miss Teen Blue Bonnet"-Schönheitswettbewerb, - der zu allem Überfluss von ihrer Mutter organisiert wird. Diese ruft die Tochter, die sich eigentlich ganz wohl in ihrer Haut fühlt, wegen ihrer Molligkeit liebevoll "Dumplin'", und bedauert es, dass sie definitiv nicht in Frage kommt, am Wettbewerb teilzunehmen.

Doch dann kommt irgendwie eines zum anderen, Willowdean verliebt sich, ist wütend, dass die Mutter die Sachen der an ihrem Übergewicht jung verstorbenen Tante ausmisten will, und meldet sich aus einem spontanen Impuls heraus an. Zwei weitere stets wegen ihres Aussehens gehänselte Mädchen schließen sich ihr an.

Differenziert gezeichnete Figuren

Jetzt könnte man -gerade bei einem US-amerikanischen Roman - vermuten oder befürchten, dass eine spektakuläre Geschichte à la "hässliche Entlein verwandeln sich in Schwäne" folgt, dem ist aber gottlob nicht so. Willowdean gewinnt nicht, sie wird sogar disqualifiziert, weil sie nicht ihr zuvor vom Komitee genehmigtes Talent vorgeführt hat, sondern einen Song ihres Idols Dolly Parton performt. Julie Murphy, die sich selbst als "fat feminist" bezeichnet, überzeugt mit einer differenziert gezeichneten Figurenkonstellation, die familiäre Verstrickungen ebenso miteinbezieht wie Eifersucht unter Freundinnen.

Dank Südstaaten-Lokalkolorit und nicht zuletzt der musikalischen Referenzen auf Dolly Parton bleibt die Lektüre der knapp 400 Seiten stets fokussiert. Und am Ende steht die Erkenntnis: "Manchmal besteht die Vollkommenheit, die wir an anderen sehen, in Wahrheit aus vielen kleinen Unvollkommenheiten, weil an manchen Tagen das verdammte Kleid einfach nicht zugehen will."

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