Ich schüttle den Kopf

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Selbstkritische Erinnerungen von Georg Breuer an ein österreichisches Schicksal.

Georg Breuer, Jahrgang 1919, geboren und aufgewachsen in Wien, geprägt von den wirtschaftlichen und sozialen Problemen der Zwischenkriegszeit, musste nicht aus rassischen Gründen bereits 1938 kurz nach der Matura über die Schweiz nach England emigrieren, sondern wegen seiner politischen Betätigung in der kommunistischen Bewegung. In der Emigration in England und nach seiner Rückkehr 1945 nach Wien war er jahrzehntelang Redakteur in KP-nahen Zeitungen und Zeitschriften, wie auch seine zweite Frau Rosl, aus deren unveröffentlichten Manuskripten er ausführlich im zweiten Teil seiner Autobiografie zitiert.

Austritt aus der KPÖ

Nach der gewaltsamen Unterdrückung des Prager Frühlings durch Sowjettruppen im Jahr 1968 erfolgte der Austritt der Familie Breuer aus der KPÖ. Rückblickend schreibt Breuer über diese Zeit "Ich selbst kann von mir mit gutem Gewissen sagen, dass ich nie etwas wider besseres Wissen geschrieben habe. Ich habe nie bewußt gelogen, aber ich habe viele Lügen der sowjetischen Propaganda für bare Münze genommen und sie weiterverbreitet, ohne auch nur den Versuch zu machen, die Richtigkeit des Inhalts zu überprüfen. Wenn ich heute manche Dinge lese, die ich damals geschrieben habe, dann schüttle ich über mich selbst den Kopf".

Diese Einsicht und Selbstkritik, oft auf der falschen Seite gestanden zu sein, machen diese Lebenserinnerungen interessant und lesenswert, auch wenn man von einer Autobiografie natürlich keine absolute Wahrheit erwarten darf. Breuer war 1963 einer der Gründer des österreichischen Ostermarschkomitees für Frieden und Abrüstung, gegen die steigende Atomkriegsgefahr. In Zeiten eines heißen Krieges im Irak und eines drohenden Konfliktes mit der Atommacht Nordkorea erhält dieser Bezug des Buches eine beklemmende Aktualität.

Kritik an USA

Sehr kritisch geht Breuer mit den USA ins Gericht, die ja bekanntermaßen als erste die Massenvernichtungswaffe Atombombe im Zweiten Weltkrieg gegen Japan eingesetzt haben und seiner Meinung nach nicht davor zurückschrecken werden, Atomwaffen unter Umständen als Präventivwaffe wieder zum Einsatz zu bringen. Eine Vielzahl von Publikationen zum Thema Atomgefahr wurden vom Wissenschaftsjournalisten Breuer publiziert, ziehen sich gleichsam wie ein roter Faden durch sein schriftstellerisches Schaffen und sind tabellarisch als Anhang dem Buch beigefügt.

Zur Unterstützung der Demokratie in der CSSR gründete Breuer ein gleichnamiges Solidaritätskomitee. Berührend sind die literarisch stark verdichteten Erinnerungen seiner Frau Rosl, die mit ihrem Mann ein untypisches und doch typisches österreichisches Schicksal des 20. Jahrhunderts mit allen verschlungenen Wegen und Irrungen teilte.

Etwas zu lange geraten sind hingegen die Exkurse über die geopolitische Weltlage im Kalten Krieg, die beim interessierten Leser als bekannt vorausgesetzt werden kann. Hier mag mitschwingen, dass Georg Breuer auch eine Generation ansprechen will, die diese Zeit nicht aus persönlichem Erinnern nachvollziehen kann.

Was er jungen Menschen heute vermitteln will, die oft ohne Hoffnung sind, ist, als Einzelner das Weltgeschehen verändern zu können: es lohnt sich, durch Initiativen des Einzelnen im rechten Augenblick konsequent für eine Welt mit menschlichem Antlitz - so der Untertitel des Buches und Leitmotiv - zu kämpfen und damit dem eigenen Leben eine tieferen Sinn und Erfüllung zu geben.

Selbstkritisch

Erika Weinzierl schreibt im Vorwort zum Buch über Georg Breuer, dass er "zwar kein Kriegsheld war, aber ein Leben lang ein Held solidarischer Mitmenschlichkeit"; ergänzend sei noch erwähnt: immer vor einem weltanschaulich geprägten Hintergrund, den Breuer nicht verleugnet, wenn auch in der "Rückblende" - Haupttitel des Buches - sehr selbstkritisch reflektiert.

Rückblende

Ein Leben für eine Welt mit menschlichem Antlitz

Von Georg Breuer, novum Verlag, Wien 2003, 200 Seiten, geb., e 17,80

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