Kritisch und unpopulär

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Am 20. September verstarb der Schriftsteller Helmut Eisendle.

Begegnet bin ich Helmut Eisendle nur einmal, aber seine Telefonstimme und seine Mails, die kurzen Erzählungen über seinen Sohn, seine offenen Worte über die Chemotherapie und seine aufrechte Hoffnung haben ihn mir näher gebracht als manchen guten Bekannten. Der skeptische Anarchist, der er war, schien auch akustisch aus dem individuellen Raum des Privaten zu kommen. Zu Ostern war er noch einmal in Italien - er hat vor Jahren ein wunderbares Triest-Lesebuch herausgegeben -, und dass sein Text "Maschinendenken" gerade da in der Furche erschien, hat er als richtiges Ostergeschenk bezeichnet. Die Furche verdankt Eisendle in den letzten eineinhalb Jahren so manchen Beitrag.

Helmut Eisendle, zunächst Telefonmechaniker, dann Psychologe und Philosoph, war als Schriftsteller ein radikaler Sprach- und Wissenschaftskritiker, der Literatur als Theorie und Theorie als Literatur betrieb - oft als luzides Spiel, wie etwa im "Unterhaltungsroman" (so der Untertitel) "Exil oder Der braune Salon". Eisendle ist nicht, wie viele andere, die avantgardistisch begonnen haben, auf das konjunkturträchtige Erzählen eingeschwenkt, hat keinen populären Roman geschrieben. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Romane "Walder oder Die stilisierte Entwicklung eine Neurose. Ein programmiertes Lehrbuch des Josef W." mit sarkastischen Überlegungen zur "Suicidologie" und "Jenseits der Vernunft oder Gespräche über den menschlichen Verstand", Essaysammlungen wie "Ein Narr auf dem Hügel" (nach dem bekannten Beatles-Song betitelt) oder "Das Verbot ist der Motor der Lust". 2002 erschien "Gut und Böse sind Vorurteile der Götter". Daneben entstanden zahlreiche Essays, Erzählungen und gut ein Dutzend Hörspiele sowie Theaterstücke und Filme.

Am vergangenen Samstag ist Helmut Eisendle verstorben. Auf dem Umschlag seines letzten Buches ist ein Bild, anhand dessen ich den von Krankheit Gezeichneten nicht mehr erkannt hätte. Der Roman heißt "Ein Stück des blauen Himmels".

Der literarische Nachlass Helmut Eisendles, darunter zahlreiche Manuskripte und Entwürfe, Fotos, Notizbücher, Korrespondenzen und Aquarelle, befindet sich in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek. Dort wird am 11. Dezember die Schau "Die Orte des Helmut Eisendle" eröffnet, die noch in Zusammenarbeit mit ihm selbst konzipiert wurde.

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