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Kurt Klinger gibt Auskunft

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Der äußere Ablauf eines Lebens von 35 Jahren soll nicht künstlich zerdehnt werden. Sicher aber ist, daß die Heil-losigkeit unserer Zeit, die den schöpferischen Menschen besonders hart bedrängt, ihre Spuren auch in seinem Geist und in das Angesicht seines Lebens gegraben hat.

Kurt Klinger wurde am 11. Juli 1928 in Linz geboren, machte 1948 Matura (Handelsakademie), war vier Jahre Staatsangestellter und 1949 bis 1950 Schauspieler bei der Schauspielergruppe „Scheinwerfer“ in Linz. Anschließend betrieb er philosophische, germanistische und theaterwissenschaftliche Studien an der Universität Wien. 1955 wurde er als Dramaturg an das Linzer Landestheater berufen und war dort bis 1958 tätig. Darnach Studienaufenhalt in Rom (1959), Stipendiat des Burgtheaters (1959 bis 1960), Dramaturg des Düsseldorfer Schauspielhauses (1960 bis 1963). Heute lebt er als freier Schriftsteller. 1955 erhielt er den Förderungspreis zum Österreichischen Staatspreis für Dramatik. Er ist Mitglied der Künstlervereinigung „MAERZ“ (Linz), der Dramaturgischen Gesellschaft und des PEN*Klubs. Bas ist, in Stichworten, der äußere Lebensabriß Klingers.

Ich habe an Kurt Klinger Fragen gestellt, die dazu dienten, seine persönliche Haltung, verschiedenen Problemen gegenüber, zu erfahren und mithelfen sollen, seine Werke zu deuten.

„Worin liegt das Ziel und der Sinn Ihrer Arbeit?“

Antwort: „Ein glücklicher Zufall hat mir seinerzeit die Rede von Max Frisch zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises (1958) in die Hände gespielt. Sie hat mich ergriffen und vieles geklärt. Frischs Programm ist eindeutig: zersetzend wirken durch die echte Darstellung des Menschen und der Kreatur. Was heißt echt? Eine wissenschaftliche Redlichkeit, die zuerst prüft und dann urteilt — und dann eben die Liebe: aber eine unerzwungene, keine sentimental immer wieder hervorgehobene, sondern eine selbstverständliche, fraglose, die dem eigenen Menschenschlag gilt und ganz allgemein — dem Menschlichen.“

Max Frisch, den Klinger zitiert, spricht von einer „Zersetzung der Ideologie“ und meint damit: „...wir können das Arsenal der Phrasen durcheinanderbringen, je klarer wir als Schriftsteller werden, je konkreter nämlich, je absichtsloser in jener bedingungslosen Aufrichtigkeit gegenüber dem Lebendigen, die aus dem Talent erst den Künstler macht...“

Weiter beschäftigt sich die Antwort Klingers auf meine Frage mit dem Kapitel „Ironie“. Ich gebe sie wieder, weil sie auf den Sinn der ironischen Stellen in seinen Texten — etwa im Schauspiel „Odysseus muß wieder reisen“ — hinführt. „Die Ironie ist ein Verhalten; es hängt vom Objekt ab, ob man sich zu ihm ironisch verhält. Ironie tritt auf, wenn ein Dichter gegen einen Irrtum protestiert, den er nicht aus der Welt schaffen kann — er hofft aber doch, würde seine Ironie sich mitteilen, würde sie Allgemein-Verhalten, dann würde es gelingen, die Gefahr zu bannen. Und in der Tat: wäre es Allgemeinüberzeugung, daß Schlachten und Todesgeschoße keine Lösungen sind, hätten wir um den Frieden nicht zu fürchten. Erst wenn die Menschheit jene auslacht, die Kriege anordnen, wird der Krieg überwunden sein. Und wie auf den Krieg bezieht sich die Ironie auf alle gefährlichen Dummheiten.“

Frage: „Wieweit hat Ihre dramaturgische Tätigkeit Ihr Schaffen beeinflußt?“

Antwort: „Darüber läßt sich redlicherweise nicht viel sagen. Die dramaturgische Arbeit hat mir Verluste und Gewinne eingebracht. Gewinne an Materialkenntnis vor allem. Trotzdem glaube ich nicht, daß es für einen Dramatiker unerläßlich ist, sich die fürs Stückeschreiben nötige Theatererfahrung durch Theaterpraxis anzueignen.“

Frage: „Wie stellen Sie sich Ihren weiteren Weg vor?“

Antwort: „Vor Prognosen möchte ich mich hüten. Nur dies: der ,Fall Pasternak' hat unlängst doch deutlich gezeigt, worauf es ankommt: ohne abzuirren seinen Weg zu gehen. Der Osten mag ihn ächten, der Westen verdächtig lobpreisen — er geht... und trägt seine Wahrheit unverletzlich in sich. Ihn zu beneiden wäre Hohn. Aber (um bei Frisch zu oleiben): ,Wir haben nicht sein Genie — wir haben Talenie. Schon das ist Auftrag'.“

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