Anorexie - © Foto: iStock/KatarzynaBialasiewicz

Lana Lux: Die Waage weiß alles

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„Jägerin und Sammlerin“, der zweite Roman von Lana Lux, bietet neben der drastischen Schilderung einer Bulimie-­Erkrankung auch eine nuancierte Mutter-Tochter-Erzählung.

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„Jägerin und Sammlerin“, der zweite Roman von Lana Lux, bietet neben der drastischen Schilderung einer Bulimie-­Erkrankung auch eine nuancierte Mutter-Tochter-Erzählung.

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Der Selbsthass ist einer der am wenigsten wahrgenommenen Landstriche der menschlichen Seele. Er wütet im Individuum, vergällt dessen Beziehungen zur Außenwelt, macht sich als Aggression auch im Politischen breit. Bei so mancher hasserfüllt nach außen gerichteter Demonstration marschiert er mit.

Hass auf sich selbst, Hass auf den eigenen Körper ist nicht nur ein Pubertätsproblem. Ein ungesunder Teil der Bevölkerung quält sich mit Gesundheitsregeln, die einander nicht selten dia­metral widersprechen. Alisa, die junge Protagonistin in Lana Lux’ neuem Roman „Jägerin und Sammlerin“, wird von einer Essstörung beherrscht, die ihr alles, was sie unternehmen will, gründlich vergällt.

„Zu dick, zu groß, zu massig“, so wähnt sie sich nach eigenem Gutdünken – und vor allem nach dem ihrer Mutter. Deren Vorhaltungen und mangelnde Anerkennung treiben die Schülerin, die sich auf die Matura vorbereiten sollte, in Orgien der Selbstbestrafung. Tagsüber wird kein Bissen Essbares zugelassen, nur um abends umso mehr in sich hineinzustopfen – bis zum regelmäßigen ­Erbrechen.

Armut und Entbehrungen

Ihrer Freundin Mascha, einer gerten­schlanken Ballettelevin, kann ­Alisa hinsichtlich Körperideal nicht das Wasser reichen. Die wenig feinfühlige, nur mit sich selbst beschäftigte Mutter sagt zu ihrer Tochter, einem russischen Sprichwort folgend: „Du bist wie eine Kuh, die Milch gibt und dann den Eimer umkippt.“

Beide, Mutter wie Tochter, sind wie die Autorin einst aus der Ukraine nach Deutschland ausgewandert. Alisa war da erst zwei Jahre alt. Die Mutter Tanya indes, eine narzisshafte Schönheit, will im Westen alles nachholen, was ihr in Elend und Armut der Kindheit verwehrt war. Ihre Tochter soll Ehrgeiz und Perfektionssucht, die sie beherrschen, mit ihr teilen. „Ich muss alles richtig machen“, lautet die Alisa eingeimpfte Maxime, an der sie regelmäßig scheitert. Erst eine klinische Therapie bringt die dringend nötige Hilfe.

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