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Die Große-Zinne-Nordwand ist unersteiglich

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Dr. Julius Kugy, Arzt, Musiker und Altmeister der Alpinistik, war ein Mann von lauterem Charakter. Ihm gelang es auch, was weder vor ihm noch nachher je jemandem gelang, Slowenen, Italiener, Furlaner und Österreicher sozusagen zu seinen Füßen in Freundschaft für die Berge zu versammeln und zu Freunden fürs Leben zu machen. Er starb im 80. Jahr seines Lebens in Triest, im Jahre 1943.

Als die Große-Zinne-Nordwand (im Sommer) erstmals durchklettert wurde, war dies eine alpinistische Sensation. Die Nachricht erreichte auch Dr. Kugy, der die Erstbesteiger (Comici) gut kannte und auch ihr väterlicher Freund war. Bald,,yac^j. der Durchsteigung, —“der Verfasser ,dfesis „Querschnitts“ war gerade bei Kugy in Triest — kam einer der Comici, um dem berühmten Erstersteiger so mancher himmelhohen Wand der Julischen Alpen und Namensgeber für die so schwierigen Kugy-Bänder am Triglav zu berichten. Er erzählte dann, wie viele Haken und Karabiner notwendig waren, um Oberhänge zu überwinden, denn die Wand gehörte dem „sesto grado“ (Schwierigkeitsgrad sechs bei Kletterwänden) an, jenem Grad, den gerade die jungen Italiener damals zu dem bis dahin höchsten Schwierigkeitsgrad fünf hinzugefügt hatten („alleräußerst schwierig“ in der alpinen Literatur).

Julius Kugy schaute den jungen Mann bedächtig an, kraulte sich den grauen Bart und sagte dann: „So haben Sie denn bewiesen, was ich immer schon gesagt habe: die Große-Zinne-Nordwand ist unersteiglich.“ Der andere war verblüfft und bekam dann die Erklärung: Wer eine Felswand dieser Art nicht mit seinen eigenen Körperkräften, mit Kletterschuhen und dem durch den Gefährten gehaltenen bzw. geschlungenen Seil zu bezwingen vermag, wie dies in der Pionierzeit des Alpinismus üblich war, sondern' erst Dutzetfde'ürf8kehr Stiften und Haken in die Wand schrägt uhd boHrfc/lm dann an diesen Haken und Stiften sich emporzuturnen, beweist damit, daß er die Wand, so wie sie ist, nicht bezwingen kann. Er verändert sie, macht eine andere, leichtere Wand aus ihr, und diese ist es, die er durchsteigt.

Was würde Julius Kugy wohl sagen, erführe er von dem eher tolldreisten Unternehmen, in tiefem Winter durch einige Wochen durch die Wand zu steigen, bei dem die „Bergsteiger“ sich mittels Seilwinde vom Fuß der

Wand mit warmen Getränken und Speisen versorgen lassen und in elektrisch geheizten Steppjacken über zahllose Haken und Stifte emporhangeln?

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