WIENER G'SCHICHTEN. Geschichte Wiens. Historien, Episoden, Anek-ioten. Von Reinhard Federmann. Horst Erdmann Verlag, Tübingen und Basel. 24 Bildtafeln. 300 Seiten. Leinen. S 167.20.
Im Geleitwort zu seinem „Wiener G'schichten“ betitelten Werk bezeichnet Reinhard Federmann es als Wagnis, die Geschichte einer Stadt in Anekdoten zu erzählen. Nun, man kann mit gutem Gewissen dem Autor bescheinigen, daß ihm dieser Versuch vollauf geglückt ist. Dieses liebenswerte Buch, in dem alle Nuancen des Wiener Charmes zu finden sind, birgt tatsächlich einen bunten Strauß köstlicher Historien und Episoden. Und diese strahlen soviel Heiterkeit und Menschlichkeit aus, daß der Leser gebannt Zeuge eines faszinierenden Feuerwerks wird. Mit Gemüt und Humor steigt dieses Feuerwerk leuchtend empor und rückt die Eigenart des Wieners in helles Licht, die Eigenart des echten Wieners, der in der Donaumetropole, diesem Schmelztiegel der Rassen und Nationen des ehemaligen Vielvölkerstaates, beheimatet ist. Und so entstanden und so entstehen noch immer dank dieser anregenden Blutmischungen im Herzen Europas Geschichten aller Art, unwahrscheinliche, unglaubliche, abstruse und absurde G'schichten, Wiener G'schichten.
Was sich in Wien alles ereignen kann und mag, und was für Gegensätze sich hier zusammenfinden können, hat Reinhard Federmann in der folgenden höchst originellen Vision beschworen: „Gern stelle ich mir immer wieder ein imaginäres Wiener Kaffeehaus vor, in dem Trotzki, Begründer der Roten Armee, mit dem österreichischen Generalstabschef Conrad von Hötzendorf debattiert, Stalin mit Freud, Karl Kraus mit Tito, Kokoschka mit Schnitzler, Otto Wagner mit dem Grafen Berch-tolt (über einen Neubau der Hofburg), Altenberg mit einem Gönner, vielleicht dem Baron Königswarter, Bahr mit Lenin (über Tschechow), der Oberst Redl mit Otto Weininger.“
