Ich ziehe um

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Unser Lektorix des Monats.

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Veränderungswünsche sind nicht nur Menschen in der Midlife-Crisis bekannt, sondern auch dem Zielpublikum eines Bilderbuches. Das Kinderzimmer umzustellen ist ein Abenteuer, durchaus nachvollziehbar der Wunsch der Selma Khnopff: Ich ziehe um. Was Besseres finde ich jederzeit.

Da sie keine festen Vorstellungen, mehr Ideen hat, geht sie nach dem try-and-error Prinzip vor: nacheinander werden Fingerhut-Zelt, Hochhaus, Walnuss-Panzer, Erdloch und auf dem Wasser treibendes Seerosen-Blatt ausprobiert und wieder verworfen. Auf ein Neues: "Nur wer nie was riskiert, macht keine Fehler."

Was sie mit ihren jeweiligen Häusern erlebt, welchen Figuren sie begegnet und in welche Situationen sie gerät, ist ein Feuerwerk aus Fantasie und Originalität, das mit großem stilistischem Können und viel Witz umgesetzt wird. Im Text wie in den Illustrationen.

Karla Schneider erzählt in kurzen, punktgenauen Sätzen, sehr überzeugend auch die Dialoggestaltung. Da ist kein Wort zuviel, und trotzdem entstehen sprachliche Bilder von großer Intensität und Dichte. Spannend, leicht, mit feinsinnigem Humor. Das gilt auch für die Illustrationen. Stefanie Harjes spart nicht mit Farben, die sie teilweise sehr eigenwillig zusammenstellt. Sie tobt sich unter anderem auch bei der Darstellung der Figuren aus.

Der Trick, dass der Text Teile des auftretenden Personals und der Häuser nicht zur Gänze erzählerisch fixiert und die Illustrationen deren visuelle Umsetzung übernehmen, macht einen zusätzlichen Reiz aus: dass Selma eine Schnecke und Hugo Willumsen ein Käfer oder das Hochhaus eine Streichholzschachtel ist, erfährt der Betrachter nur durch die Bilder, die mit vielen anderen einfallsreichen Details jenseits der Erzählebene aufwarten.

Selma changiert zwischen Kreativität, dem Glauben an das Recht auf Utopien, Sturheit, Eitelkeit und dem Selbstbewusstsein einer Königin. Letzteres zeigt sie vor allem, wenn es um Hugo Willumsen geht, der sie am Ende vor dem Ertrinken rettet und möglicherweise ihre Suche beendet - schließlich hat er auch ein Haus. Ob sie sich in seine schwimmflügel-bewehrten Arme begibt, bleibt offen - schließlich willigt Selma nur großmütig ein, sich sein Haus zeigen zu lassen. Und für sie gilt nur ein Motto: never take second best.

Ein Buchtipp von STUBE, Institut für Jugendliteratur und DIE FURCHE

Die Häuser der Selma Khnopff

Von Karla Schneider und Stefanie Harjes. NP Buchverlag, St. Pölten 2004.

40 Seiten, geb., e 14,90. Ausgez. mit dem Österr. Kinderbuchpreis 2005

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