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Supra gegen Megqßeck

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Papier, so sagt man, sei geduldig. Noch nicht in unser sprichwörtliches Be-wußtsein ist die weitaus größere Geduld einer ganz anderen Sache gedrungen: die des deutschen Wortschatzes. Täglich erleben wir ihn aufs neue strapaziert - oder genaugenommen superstark, ultraleicht und immer megagünstig strapaziert.

Erlaubt ist dabei, was gefällt und totgesagte Sprachen hergeben, Be-merkenswerterweise sind Latein und Griechisch für die Kombination mit dem Deutschen besonders dort begehrt, wo es um den Appell an unser aller Reinlichkeit geht. Genügte es früher, auf banale Art Adjektive und damit im Handumdrehen weißer als weiß den Absatz zu steigern, entlockt uns diese ßotschaft heute nur noch ein mitleidvolles Lächeln.

Um mehr für unsere Wäsche tun zu können, bedürfen wir der Perlen, selbstverständlich „Perls" genannt, womit eine weitere Sprache in den Schleudergang gebracht wird. Das Geheimnis der kleinen Kügelchen liegt nun nicht ausschließlich darin, daß sie mehr Riesenenergie produzieren, sondern daß sie megagünstig sind und erstmals Megaflecken wegzaubern. Diese Tatsache erhebt die Kügelchen naturgemäß in einen höheren Stand und macht aus simplen Perls die Megaperls. Im Supermarkt verrät uns ein ßlick auf die Packung, was „mehr als" bedeutet: ganze 200 Gramm! (Wir dürfen uns anstelle von 3,2 Kilogramm fadem Waschpulver mit 1,5 Kilogramm Perls zufriedengeben.)

Wer also mit „mega" heute noch Megawatt oder die Megalithkultur verbindet, an dem dürfte die Zeit vorbeigegangen sein. Übrigens auch an demjenigen, dem zu ultra nicht mehr als ultraviolettes Licht einfällt. Schließlich gehört es zum guten Ton, all das, was schon nicht mega sein kann, wenigstens mit „ultra" zu versehen. So benamst sich ein Waschmittel, das seit jeher mit dem Zusatz „Rondomat" - was immer dies bedeuten mag - ausgekommen ist, nun „Rondomat ultra". Auch das Pulver für die Wäsche zwischendurch kommt nicht mehr mit Genialität alleine aus, sondern ist auf „ultra" angewiesen. Das grüne Wald- und Wiesentier quakt ebenfalls ultra, interessanterweise nur in der pulverisierten, nicht jedoch in der flüssigen Variante.

Auch der sogenannte Wäscheschutz - für zufriedene Babys und die Frau, die sich rundherum sicher fühlt - kommt ohne ultra nicht weiter. Es gibt ihn ultra thin oder in Kombination mit normal, normal plus, super oder super plus.

A propos super: Die Gebrüder super und supra kursieren ebenso beflissen im Dienste der Sauberkeit wie ihre übrigen Verwandten. Will der Konsument Spezielles für die Wollwäsche, so muß er zunächst mit sich selbst ins Reine kommen - nehm ich Color- oder Woll-Shampoo, Farboder Weichpfleger und wenn, nehm ich es mit oder ohne supra? Wahrlich keine leichte Entscheidung. Schwierig erscheint auch die Frage, wie mit einem Superflecklöser umzugehen ist. Löst er Flecken super oder hilft er gegen Superflecken?

Sucht man nun nach dem Superlativ der Sauberkeit schlechthin, meint man, beim „Nonplusultra gegen Kalk" bereits am Ziel angelangt zu sein. Weit gefehlt. Wieder ist für Klärung ein Blick auf die Packung vonnöten. Das triviale Waschmittel, etwa ein Kilogramm schwer, soll auch ergiebig sein wie ein Kilogramm. Kann es das Attribut ultra aufweisen, so darf man sich für dieselbe Wasch-kraft mit der halben Menge begnügen. Will man jedoch dreifach ergiebig dem Schmutz den Garaus machen, so sind weder Latein noch Griechisch zuständig, sondern schlicht und einfach - Tabs.

Was aber erwartet unsere AVasch-maschinen, wenn Perls und Tabs me-ga-out sind? Die chemische Industrie wird hoffentlich ihre Phantasie unter Beweis stellen und und mit neuen Formen und ausgeschöpften Sprachen erfreuen. Die Wäscheleinen dürfen schon gespannt sein, wann sie endlich mit hyperduftiger, antiSchmutz-sauberer, Giga-Cubes-ge-reinigter Wäsche behängt wird.

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