Mamed, der letzte Freund

Werbung
Werbung
Werbung

Tahar Ben Jelloun nimmt sich einer komplizierten Freundschaft an, zeichnet deren Abgründe und trauriges Ende.

Wie tief kann eine Freundschaft sein? Teilt man sie in guten und in schlechten Zeiten? Wie ist das Gleichgewicht verteilt und wohin mit der Eifersucht?

1944 in Fés, Marokko, geboren, ist Tahar Ben Jelloun einer der bedeutendsten Vertreter der französischen Literatur des Maghreb. In seinem jüngsten Roman geht er der komplizierten Freundschaftsbeziehung zweier Männer nach, die an der tödlichen Krankheit des einen zerbricht - und trotzdem weiter bestehen bleibt.

Ali und Mamed begegnen sich in der kosmopolitischen Stadt Tanger, der Stadt von Allen Ginsberg und William S. Burroughs, von Jean Genet und Francis Bacon. Sie wachsen auf in einer Atmosphäre zwischen Orient und Okzident, zwischen Islam und Atheismus, zwischen geistiger Herausforderung und der Suche nach sinnlichem Genuss. Sie teilen alles miteinander, manchmal sogar die Frauen und eine Zeitlang ein militärisches Straflager, in das sie aus politischen Gründen geraten, wegen "staatsgefährdender" kommunistischer Umtriebigkeit und einem zu westlichen, zu wenig angepassten Leben nach Studienaufenthalten in Frankreich und in Kanada. Das lang ersehnte Wiedersehen findet im Gefängnis statt.

Sie sind sich nicht ähnlich, ihre Weltanschauung deckt sich nicht in allen Punkten, und doch stehen sie stets unter dem Einfluss des jeweils anderen, nehmen gegenseitig Anteil an Liebe, Heirat und Familiengründung, die beiden Ehefrauen finden sich mit dieser Freundschaft notgedrungen ab. Ali wandert aus nach Schweden, Mamed bleibt in Tanger, ihre Vertrautheit über Tausende Kilometer und viele Jahre bleibt bestehen. Bis eines Tages der Davongegangene den Daheimgebliebenen tödlich verletzt, ihm Ehrlosigkeit, Geiz und Bereicherungsabsichten vorwirft, ratlos zurücklässt, bis jenen am Ende ein Brief erreicht: "Einige brutale, trockene, endgültige Sätze. {...} Es ist kein Scherz, kein schlechter Witz. Der Brief soll den Empfänger zerstören. Die Unterschrift ist wirklich die meines Freundes Mamed. Da gibt es wirklich keinen Zweifel. Mamed, der letzte Freund."

Tahar Ben Jelloun lässt beide Seiten zu Wort kommen und schließlich noch einen neutralen Dritten. Alis und Mameds Versionen sind so verschieden, als hätten die beiden nicht dasselbe erlebt. Und Mameds verzweifelter Versuch, dem Freund den Anblick seines langsamen Krebstodes zu ersparen, sich selbst zu ersparen, die Trauer und die Wahrheit in den Augen des Freundes zu lesen, verletzt diesen umso mehr. Das Vertrauen ist zerstört. Und Ramon, der am Rande beteiligte Dritte, steht zwischen den Fronten und weiß nicht, was er tun soll. Die Ehrlichkeit, wohl einer der höchsten Werte der Freundschaft, lässt sich auch durch den traurigen Abschiedsbrief nicht mehr herstellen. Mameds Tod zerstört auch Ali.

Außergewöhnlich und einfühlsam beschreibt der Roman die Abgründe, den Egoismus und die Eifersucht, die sich hinter dieser tiefen Männerfreundschaft verborgen halten, einer Freundschaft bis über den Tod hinaus.

DER LETZTE FREUND

Roman von Tahar Ben Jelloun. Deutsch von Christiane Kayser. Berlin Verlag, Berlin 2004. 157 Seiten, geb., e 18,60

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung