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Pathologische Spielereien

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Jouer avec le feu" von Strindberg in einer Inszenierung von Luc Bondy und „Giulio Cesare" von Bomeo Castellucci sind die heurigen fremdsprachigen Gastspiele im Bah-men der Wiener Festwochen.

Strindbergs Einakter in französischer Sprache gilt als eine Petitesse, es erinnert an Schnitzlers „Im Spiel der Sommerlüfte": Seelenverfassungen entstehen und vergehen wie das Wetter. Verschiedene Nervensysteme reiben sich aneinander. Mit der Liebe wird auf allen Klaviaturen gespielt. Diese Erwartungen hat Bondy nicht ganz erfüllt, die Gefühle wirken oft nebulos.

Avantgardistisch wäre schon ein zu großes Lob für die pathologischen Auswüchse des italienischen Begis-seurs Castellucci. Shakespeare dreht sich wahrscheinlich im Grabe um.

Träge und faul sitzen ein Ehepaar und dessen Freunde herum. Aus Fadesse wird die Liebe zum Gesellschaftsspiel. Knut, der seine Frau Kerstin mit Adele schamlos vor ihren Augen betrügt, erregt die' Vorstellung, daß sein Freund Axel eine Affäre mit seiner Frau haben könnte. Er spielt sogar den Vermittler. Als dann Kerstin und Axel sich ihre Liebe eingestehen, heuchelt er erstauntes Entsetzen. In Wirklichkeit hat er nur daraufgewartet, es gehört nämlich zu seinen- grausamen Spielchen. Instinktiv fühlt er, daß Axel ein Feigling ist, der es nie wagen würde, Kerstin zu ehelichen. Tatsächlich, als Axel Farbe bekennen soll, zieht er sich von Kerstin zurück. Kerstin, die ihren Gatten nicht durchschaut, ist das Opfer dieses sadistischen Ehespieles.

Emmanuelle Beart als Kerstin ist die Facettenreichste. Ihre Wandlungsfähigkeit fasziniert, sie entwickelt sich vom koketten Weibchen zur innerlich gebrochenen Frau. Laurent Grevill als ihr Fregatte ist ein erbarmungsloser Macho. Die Liebeserklärungen von Thierry Fortineau (Axel) wirken outriert. Der Vater, Roland Amstutz, ist akustisch unverständlich. Christine Vouilloz als Adele ist die einzige Strindbergische Persönlichkeit. Trotz der anfänglich schleppenden Dramatik geht der Besucher angeregt nach Hause. Der Finblick in die pseudo-heile Familienidylle am Schluß des Stückes löst einige Bätsei. Das Feuer sind die ewigen seelischen Grausamkeiten.

Eine Kakophonie in allen Varianten ist „Giulio Cesare". Brutus atmet Helium ein, um die hohen Stimmfrequenzen auf das Maximum zu erhöhen. Die überschrille Stimme von Giovanni Bossetti ruft Brechreiz hervor. Der alte, splitternackte Körper Alvaro Bisernas (Cesare) wirkt deg-outant. Lele Biagi als Cassius kommt einer klassischen Figur noch am nächsten. Die berühmte Bede des Antonius ist verzerrt, durch die Lautbildung des kehlkopfkrebsoperierten Dalmazio Masini. Castellucci geht bis in die Grenzbereiche der Sprache.

Die Symbolik von Castellucci ist mehr als penetrant, Vernichtungslagerzustände werden unerträglich ausgewalzt. Der melodische Text steht im'krassen Widerspruch zum Best der Aufführung. F,inige Besucher verließen fluchtartig den Saal.

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