Pilztrip mit bösem Ende

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Auch Martin Suters zweiter Roman behandelt das Thema Persönlichkeitsveränderung.

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Auch Martin Suters zweiter Roman behandelt das Thema Persönlichkeitsveränderung.

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Martin Suters zweiter Roman "Die dunkle Seite des Mondes" ist, ebenso wie "Small World", ein Buch, das man nicht aus der Hand legen kann. Es ist die Geschichte von Urs Blank, einem arrivierten, betuchten, mit Diplomatie und skrupelloser Härte ausgestatteten Schweizer Rechtsanwalt, dessen Leben sich durch ein Mädchen mit unbeschreiblichen milchblauen Augen jäh verändert.

Trotz seines Erfolges als Wirtschaftsanwalt und seiner Beziehung mit einer ebenso erfolgreichen wie unabhängigen Frau verspürt Blank eines Tages eine tiefe Unzufriedenheit mit seinem Leben. Er lernt ein junges Mädchen kennen, dessen ganz andere Lebensweise ihn mehr und mehr fasziniert: "Pink Floyd, ,Dark Side of the Moon'. Lucille hatte die Kassette mitgebracht. ,Die beste Trip-Musik der Welt', hatte sie behauptet." Sie nimmt ihn mit zu einem Pilzzirkel und er hat Pech. Der Trip ist ein denkbar schlechter.

Was in der Kanzlei von Geiger, von Berg, Minder & Blank wie ein Roman von Grisham beginnt, wird mehr und mehr zum Thriller. Blank hat lange Jahre für Geiger, von Berg & Minder die Knochenarbeit gemacht, um als Partner aufgenommen zu werden. Nun kommt es bei Urs Blank zu einer durch den Pilz-Trip ausgelösten dramatischen Persönlichkeitsveränderung.

Einer der Hauptschauplätze ist der Wald, in den sich der Anwalt auf der Suche nach einem ganz seltenen, winzigen Pilz immer mehr zurückzieht. Dem Pilz, der daran schuld zu sein scheint, "daß er die Kontrolle über das längst domestizierte Tier in ihm" verloren hat und der ihm das Gefühl gab, "daß es nichts und niemanden gab, auf den er Rücksicht nehmen mußte. Weil nichts und niemand wirklich existierte". Ob in Europa wachsende halluzinogene Pilze tatsächlich eine derartig nachhaltige Persönlichkeitsänderung hervorrufen können und ob die geschilderten Trips wirklichkeitsnah sind, sei dahingestellt. Sie scheinen eher der Wirkung starker Halluzinogene aus einem Castaneda-Buch zu entsprechen, was allerdings der Lektüre keinen Abbruch tut.

Daß die Geschichte sich in der Schweiz abspielt, ist zwar klar, aber das Schweizer Lokalkolorit wird in der Waldbeschreibung durch einige nicht ganz verständliche Ausdrücke wie zum Beispiel "das Tobel" oder "der Haraß" besonders deutlich.

Auch Konrad Langs Leben in "Small World" erfuhr durch seine langsam einsetzende und fortschreitende Alzheimer-Krankheit eine dramatische Veränderung. Im Plot seines ersten Romans verschränkt Suter die von komischen und tragischen Momenten getragene Krankheitsgeschichte mit dem Handlungsstrang eines Kriminalromans, während sich der neue durch die Persönlichkeitsänderung der Hauptfigur beinahe zum Thriller entwickelt. Beide Bücher bestechen durch eine klare Sprache und raffinierten Aufbau. Während "Small World" einen positiven Eindruck hinterläßt, wird "Die dunkle Seite des Mondes" hingegen immer bedrückender und hinterläßt den Leser schließlich mit einem Gefühl der Beklemmung.

Die dunkle Seite des Mondes. Roman von Martin Suter Diogenes Verlag, Zürich 2000. 316 Seiten, Pb., öS 291,-/e 21,15

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