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Karl Lubomirskis radikal subjektive Eindrücke von fernen Ländern.

Karl Lubomirski, der seit 45 Jahren in Mailand lebende, bis heute der deutschen Sprache treu gebliebene Lyriker, legte sein zweites Reisebuch vor. Als Gefangene des Himmels (gefangen von unrealistischen Heilsversprechen, sei es der Religionen oder der Ideologien) erscheinen ihm die Nachfolgestaaten der Sowjetunion und Indien.

Lubomirski war in Russland, Usbekistan, Rajastan, Sri Lanka und auf den Malediven. Für all diese Reisezeile gibt es eine reiche Auswahl an Reiseführern. Was also bietet er Neues, zumal er die Länder mit Ausnahme Russlands konventionell, als Teilnehmer von Gruppenreisen, besucht hat? Erstens fällt eine Sprache auf, die poetisch ist. Zweitens springt die radikale Subjektivität ins Auge, mit der er etwas ihm Wichtiges sucht: Schönheit und Kontinuität. Der Vergleichspunkt seiner Beobachtungen ist dabei stets Italien. Auf dem Flug nach Zentralasien, mit Blick auf riesige Wüsten, notiert er: "Vielleicht sollte der Mensch wirklich nur siedeln, wo Wein wächst." Schönheit findet er selbst in bescheidenen Alltagsgegenständen.

Wissens- und faktengesättigt sind seine Beschreibungen. Aber auch sinnlich, wenn er etwa über den ersten Eindruck nach der Ankunft in Delhi bemerkt: "Das Wappen Indiens ist sein Geruch: eine stets wechselnde Mischung aus Staub, Rauch, Abgasen, Dung, Gewürz und Unbekanntem."

Zum kritischen Denken lädt er ein, wenn er Klischees zerpflückt, etwa jenes von Sankt Petersburg, das immer wieder als Venedig des Nordens tituliert wird: "Aber Venedigs Kanäle sind - abgesehen vom Canal Grande - zahlreich, eng und gewunden. Venedig entstand nach dem Einfall Attilas. Seine Baugeschichte erstreckt sich über eineinhalb Jahrtausende. Sankt Petersburg hingegen wurde im Kopf eines aufgeklärten, weitblickenden Potentaten geboren, der die Zukunft seines Reiches im Zugang zu eisfreien Meeren sah …" Sein russisches Kapitel wirkt anders als die übrigen, weil es nicht "menschenleer" ist. Russland bereiste Karl Lubomirski auf einer Lese-Tournee, die ihn mit literaturinteressierten jungen Leuten zusammenführte.

Bei den übrigen Reisen stehen historische Zusammenhänge, Beschreibungen von Städten und Landschaften und Reflexionen im Mittelpunkt. Begegnungen mit Einheimischen sind für Gruppenreisende kaum vorgesehen, und die Mitreisenden haben den Autor offenbar nicht inspiriert.

Gefangene des Himmels

Von Karl Lubomirski

Berenkamp Verlag, Hall 2006

175 Seiten, geb., € 17,50

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