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Eine Biografie über die Retterin von 2500 jüdischen Kindern.

Die ganze Welt kennt den Namen des deutschen Industriellen, Oskar Schindler, der in seiner Fabrik arbeitende Juden vor der Vernichtung gerettet hat. Schindlers Liste ist lang, aber viel länger ist die Namensliste der von der Polin Irena Sendler geretteten 2.500 jüdischen Kinder.

Irena Sendler suchte nie nach besonderer Anerkennung. Jahrelang waren ihre Taten kaum bekannt. In Die Mutter der Holocaust-Kinder versuchte die Journalistin Anna Mieszkowska die Geschichte der heute 97-Jährigen aus deren persönlichen Aufzeichnungen und Erinnerungen zu rekonstruieren und die Frage zu beantworten, wie diese Frau, bekannt als Schwester Jolanda, zur Rettung so vieler jüdischer Kinder beitragen konnte. Sie riskierte ihr Leben, um während der deutschen Besatzung in Polen Juden zu retten. Sie bewies dabei auch Organisationstalent im Aufbau eines Netzwerkes von treuen Mitarbeitern - es waren vor allem die unglaublich mutigen Frauen, die eine Huldigung verdienen. Für die geringste Hilfe den Juden gegenüber drohte in Polen die Todesstrafe.

Sozial engagiert

Anna Mieszkowska schildert in ihrem Buch das Milieu, aus dem Irena Sendler stammte und dessen patriotische und soziale Ideen sie stark geprägt haben. Es war der demokratisch gesinnte Adel, der sich im Kampf gegen die russischen Besetzer engagierte und verarmte. Der Vater, Stanislaw Krzyzanowski war Arzt aus Leidenschaft und sozial sehr engagiert. Auch seine Tochter zeigte schon in jungen Jahren große Sensibilität für soziale Probleme. Nach dem Abschluss des Studiums an der Warschauer Universität begann sie ihre berufliche Laufbahn als Sozialarbeiterin. Schon im Herbst 1939 organisierten zehn Personen aus der Sozialfürsorge, unter der Leitung von Jan Dobraczynski, einem bekannten katholischen Schriftsteller, an den Sozialämtern illegal so genannte Judenhilfestellen. Als am 16. November 1940 das Warschauer Ghetto zum Sperrgebiet erklärt wurde, besorgte Irena Sendler für sich und ihr Kollegin Irena Schulz Dienstausweise der Sanitätskolonne. Diese Ausweise legitimierten ihren Zutritt zum Ghetto bis April 1943: "Wir passierten das Ghettotor häufig mehrere Male am Tag", erinnert sich Irena Sendler, "wir hatten Geld aus den Mitteln des Sozialamtes dabei, ferner Lebensmittel, Medikamente und Verbandszeug."

Als die Deutschen mit den Deportationen nach Treblinka begannen, die 300.000 Juden das Leben kosteten, wurde Irena Sendler mit der neu entstandenen Untergrundorganisation "Zegota" in Kontakt gebracht und Leiterin des Referats für Juden-Kinderhilfe. Das Referat war darauf spezialisiert, Kinder aus dem Ghetto zu holen und ihnen ein Leben auf der "arischen" Seite zu organisieren. Die Kinder wurden teils privat, teils in Klöstern und Pflegeheimen untergebracht.

In Säcken geschmuggelt

Kleinkinder wurden, dank der Mithilfe des mutigen Hausmeisters, meistens durch das Gerichtsgebäude in der Lesznostraße hinausgebracht. Kinder wurden aber auch in Feuerwehrautos, Ambulanzwagen oder in der Straßenbahn aus dem Ghetto geschmuggelt, einige wurden in Säcken, Kartons und Körben hinausgetragen. So wurde die sechs Monate alte Elzbieta Ficowska gerettet, die sagt, dass es in ihrem Leben drei Mütter gebe - eine jüdische, die sie nie kennen gelernt hat, eine polnische, bei der sie aufgewachsen ist, und Irena Sendler, der sie ihr Leben verdankt.

Anna Mieszkowska erzählt in ihrem Buch detailliert die Geschichte der "Schwester Jolanda", schildert ihre Arbeit und ihren Alltag. Im Oktober 1943 wurde Irena Sendler von der Gestapo verhaftet. Sie wurde mehrere Tage lang im Gefängnis von Pawiak gefoltert, verriet aber niemanden. Die Deutsche verurteilen sie zum Tode durch Erschießen, aber Julian Grobelny, der Chef von "Zegota", organisierte für sie eine Rettungsaktion. Der bestochene Gestapo-Mann "erschoss" sie nur auf dem Papier und ließ sie frei.

Bis heute Kontakte

Sendler legte die Seidenpapierstreifen mit den Namen der geretteten Kinder in eine Flasche und vergrub sie im Garten einer befreundeten Frau. Nach dem Krieg wurde diese Liste den jüdischen Behörden übergeben und so konnten die Kinder ihren Eltern zurückgegeben werden. Hatten die Familien nicht überlebt, wurden die Kinder in jüdischen Waisenheimen untergebracht. Irena Sendler pflegt bis heute Kontakte mit ihnen, mit ihren Kindern und Enkelkindern.

In der letzten Zeit begann sich die Öffentlichkeit mehr für Sendlers Geschichte und ihre Taten zu interessieren. Am Ende des von Michal Dudziewicz gedrehten Dokumentarfilmes Sendlers Liste sagt die greise Dame: "Solange ich leben werde … werde ich nicht müde sein zu wiederholen, dass das Wichtigste auf der Welt und im Leben das Gute ist."

Die Mutter der Holocaust-Kinder

Irena Sendler und die geretteten Kinder aus dem Warschauer Ghetto

Von Anna Mieszkowska

Aus dem Poln. von Urszula Usakowska-Wolff und Manfred Wolff

Deutsche Verlags-Anstalt, München

2006. 320 S. m. zahlr. Abb., € 23,60

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