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Suberversive Kraft

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Der Hanswurst beeinflußt bis heute die Komödien österreichischer Schriftsteller von Thomas Bernhard bis Werner Schwab.

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Der Hanswurst beeinflußt bis heute die Komödien österreichischer Schriftsteller von Thomas Bernhard bis Werner Schwab.

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Kultur und Spaß" - Eine ungeschriebene Geschichte, eine spröde. Komik entzieht sich weitgehend der Schrift, der Geschichte, der wissenschaftlichen Erfaßbar-keit. Komiktheorien kamen nur in Ansätzen weiter, eine sprachwissenschaftliche Forschung über Ironie ergab keine Ergebnisse.

Solch eine regelfreie Kunst bietet denen, die sich ihr ergeben, auch Freiraum. Josef Hader genießt es, sich Kabarettist zu nennen, in „einem Kastl, das keines ist" zu arbeiten, in einer Kategorie, die er jederzeit nach allen Seiten verlassen kann. Das Kabarett entstand erst im 19. Jahrhundert.

Der Theaterwissenschaftler Gerhard Scheit hat „eine kleine Geschichte der Komik" versucht: „ Hanswurst und der Staat", eben bei Deuticke erschienen. Es ist nicht die Geschichte des österreichischen Humors, eher eines wienerischen. Der Hanswurst wurde, nachdem er unter vogelfreien Gauklern und Spielleuten durch Europa gezogen war, in Wien am Kärntnertor-Theater seßhaft. Seine Verwandten sind Harlekin und Kilian Brustfleck, Hans Supp und Truffaldino.

Das Lachen als Erinnerung an vorchristliche, dionysische Freuden ist auch das Lachen des Hanswurst. Er hat Züge eines regredierten Bacchus. Er zerstückelt Leichen und wirft sie in den Abort. Nach Mozart kam der Fäkal-Humor aus der Mode.

Das Lachen des Bacchus macht alle gleich und hallt im elementaren Volkslachen wider. Das Volk hat das Lachen aufgenommen, als die Machthaber der Aufklärung es vertrieben haben. Der Hanswurst war der Mittler auf der Bühne, der aen einmcnen Leuten erKiarte, was sie nicht verstanden. Es war die Zensur des josefinischen Systems, die das Komische literarisiert hat, den Spaß in schriftliche Bahnen gelenkt hat, das Extemporierte in den Keller trieb. „Man geht in den Keller lachen", sägt Franz Josef Huainigg vom Krüppelkabarett. Der Hanswurst mußte von der Bühne verschwinden, weil seine Improvisationen nicht kontrollierbar waren. Jenes Unvorhergesehene verlieh ihm und seinen Genossen den Geruch von Subversivitat. „Autoritäre Regime werden Komik bis zu einem gewissen Grad dulden und sogar für notwendig erachten", sagt Gerhard Scheit. „Aber Komik, die mit berechnender Satire agiert, wird verboten werden."

Die österreichische Geschichte vom Hanswurst und seiner Kunst fand in Raimund und Nestroy, in unserem Jahrhundert in Werner Schwabs verzweifeltem Humor, in Thomas Bernhards und Elfriede Jeli-neks Komödien ihre Fortsetzung. Der Wurstel - was wurde aus ihm? Das Fernsehen übernahm seine Rolle, meint Gerhard Scheit.

Nach der langen Trennung von hoher und niederer Kunst, von jener für den Adel und dieser für das Volk, wünscht sich mancher die Wiedervereinigung von Spaß und Ernst, wie es in der griechischen Antike selbstverständlich war. Thomas Höft schwärmt von Monte-verdis Oper „Die Krönung der Poppea", in der Seneca kurz vor seinem Tod noch von den Knaben auf hämischste Weise gehänselt wird.

Sehnsucht nach tiefsinnigem, hintergründigem, lustvollem Spaß hat Markus Kupferblum, Clown und Regisseur. Er wünscht sich Humor und Leichtigkeit, jedoch ohne den erhobenen Zeigefinger.

„Warum sind die Kabaretts so voll: weil die Leute gern lachen. Warum sind die Theater so leer: weil die Leute sich ungern langweilen!"

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