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Lajos Parti Nagy mokiert sich in "Meines Helden Platz" über Mitläufertum, Zeitgeist und Geschichte - durchgeknallt, aber doch unheimlich realistisch.

Warum nicht mit den Tauben gurren, wenn sie einen zum Volkshelden erklären? Warum nicht fliegen lernen, auch wenn einem anfangs dabei schlecht wird, wenn man sich über die Stadt erhebt? Warum nicht einfach mitspielen? Es lebe das Mitläufertum!

Lajos Parti Nagys jüngster Roman "Meines Helden Platz" ist eine Politsatire böswilligster Sorte, höchst amüsant und doch erschreckend unheimlich zugleich. Die Tauben haben in Budapest die Macht übernommen, und von der Weltherrschaft trennt sie auch nicht mehr viel. Soweit nichts Neues. Bei Parti Nagy halten sie aber keine vergleichsweise harmlosen Sitzungen am Fensterbrett ab, sondern sie machen tatsächlich Politik. Wem die "fliegenden Ratten" in der Stadt schon jetzt ein Dorn im Auge sind, der hat nach diesem Buch noch ein paar Gründe mehr für die Abneigung.

Denn politisch agieren sie genauso, wie ein Taubenhasser sie sich vorstellt: dumm, verbohrt, rücksichtslos und - erfolgreich. Die "Krallenkreuzler" überziehen mit ihrem Geflügelfaschismus das Land, wieder einmal ein menschenverachtendes Regime. Mehr oder weniger geglückte medizinische Versuche sind an der Tagesordnung, die Patienten lernen entweder fliegen oder verenden als Krüppel im Liftschacht. Und Gegner werden gehäutet, verbrannt oder ausgestopft.

Wir verfolgen das Geschehen aus der doppelten Sicht eines Schriftstellers: Einmal ist er verängstigter Mensch, der in seiner Mansardenwohnung auf das bittere Ende wartet und sich via E-Mail und Fernsehen informiert über das Grauen der Außenwelt. Ein andermal verkehrt er an der Parteispitze, Mensch-Taube, der/die nach gut überstandener Häutung und Flügeltransplantation allmählich neues Selbstbewusstsein gewinnt, ein halbherziges Gspusi mit der Gattin des gefiederten Rassenoberfuzzis unterhält und die Historie zusehends unbeeindruckter kommentiert, via E-Mail übrigens ...

Ob dem Schriftsteller seine eigene Figur entgleitet, bis sie ihm bedrohlich wird, oder ob angesichts des tagesaktuellen Wahnsinns nur alle langsam durchdrehen, bleibt offen. Lassen wir also dem Erzähler die gespaltene Persönlichkeit. Oder sind es verschiedene Realitätsebenen? Eine surrealer als die andere?

Lajos Parti Nagy ist einer der bekanntesten Vertreter der ungarischen Avantgarde, Sprachspiel und Experiment gehören zu seinem grundlegenden Handwerkszeug und ein gewisser schräger Touch ist fast schon Markenzeichen.

In "Meines Helden Platz" montiert er Motive aus Orwells "Animal Farm" und Kafkas "Verwandlung" mit Diktaturerfahrungen von rechtsradikal bis kommunistisch und aktuellem Zeitgeist zu einer Collage, die literarisch stimmig und aus einem Guss wirkt. Gut geschüttelt und gerührt. Und Übersetzerin Terézia Mora, selbst Schriftstellerin und bereits geübt an Kollege Péter Esterházys ebenfalls schwierigen Texten, hat es geschafft, auch im Deutschen ein passendes Idiom zu finden, bedacht auf Wort-Witz und gespickt mit Neologismen.

Völlig durchgeknallt - so wirkt das Buch nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten steckt mehr Realismus dahinter, als man wahrhaben möchte.

MEINES HELDEN PLATZ

Roman von Lajos Parti Nagy

Übersetzt von Terézia Mora

Luchterhand Literaturverlag,

München 2005

303 Seiten, geb., e 20,50

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