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Friedrich Achleitners fulminantes Spiel mit Geschichten.

Friedrich Achleitners "einschlafgeschichten" im Vorjahr haben eingeschlagen, und binnen Jahresfrist hat er mit neuen Texten überrascht. Diesmal sind die Texte ganz auf Wien konzentriert, und gelegentlich schimmern auch Details aus der Alltagswelt ihres Autors durch, führen in die Schönlaterngasse, wo er wohnt, lassen teilhaben an seinem Blick auf die Architektur oder am Tod seines Katers Max. Das erste Wort aber hat der Basilisk, der uns versichert, dass ihm die naturwissenschaftliche Geschichte über sich selbst die liebste von allen ist. Doch gerade die erweist sich als sehr variabel und eben dadurch als Einführung in die Genese der Erzählens.

Vor allem aber entführt uns Achleitner, wie der Titel schon ahnen lässt, in die öffentlichen Verkehrsmittel, vornehmlich die U-Bahnen von Wien. Imaginäre und geträumte Fahrten stehen neben realen, in denen alltägliche "Duftinvasionen", Attacken durch das Kultobjekt Rucksack und andere Belästigungen zu schaffen machen. (Falls sich jemand in Zeiten der allgegenwärtigen PR nicht sicher ist: die "Wiener Linien" haben den Band nicht gesponsert!) Fulminant ist, was Achleitner auf einer einzigen Seite dem Gähnen der Fahrgäste zwischen den Stationen Stubentor und Zieglergasse zu entlocken vermag. Wie überhaupt in der minutiösen Beobachtung von banalen Alltagsgesten und -ritualen - dem gezielten Zuspätkommen, dem Hofhalten eines emeritierten Professors an "seinem" Institut, dem Dialog von Provinzbossen in der Bundeshauptstadt oder dem Einnehmen von Sitzplätzen in einem Eisenbahnabteil - eine besondere Stärke dieser Prosa-Petitessen liegt.

Und natürlich hat Achleitner allerhand Ideen: So stellt er sich etwa ein "Mittwochmuseum" vor oder denkt sich eine "Raumverdrängungssteuer" für korpulente Zeitgenossen aus. Nur selten stürzt er dabei in Kalauer wie den ab, dass die noblen Wiener in der Innenstadt eigentlich unter der Gürtellinie wohnen. Generell ist Lesegenuss garantiert, gerade wo die Geschichten am Schluss abbrechen, wo Personen sich verselbständigen und ihre eigenen Dialoge führen. Nichts wird über Gebühr ausgewalzt, kaum ein Text ist länger als eine Seite. Tiefsinn wird nicht versprüht, sondern aufs Korn genommen ("sein ist eine zeit- und weltfüllende tätigkeit. sein und schweiß, eine deutsche posse."), Hintersinn aber blitzt allenthalben auf.

Doch die Geschichten wollen auf nichts Bestimmtes hinaus, wollen nichts demonstrieren, bleiben spielerisch. Friedrich Achleitner, der aus der sprachkritischen Avantgarde kommt, ist nicht einfach aufs Erzählen eingeschwenkt, sondern hat sprachbewusste und sprachspielerische Texte fabriziert, die durchaus das Zeug dazu haben, populär zu werden.

Wiener Linien

Von Friedrich Achleitner

Zsolnay Verlag, Wien 2004

97 Seiten, geb., e 15,40

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