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Friedrich Achleitners neue Prosa: ein Feuerwerk von ironischem Sprachwitz.

inhalt - mir wird schlecht. ich muss aufhören." So fährt Friedrich Achleitners neue Prosa einem Kritiker in die Parade. Und sie entzündet sich tatsächlich fast immer an der Sprache selbst: an Worten oder an wörtlich genommenen Redewendungen: "tragen sie noch immer eulen nach athen? ja, aber nur mehr drei am tag. und was machen sie mit den anderen? welchen anderen?" So lautet einer der kürzesten Texte des Bandes, "eulen nach athen".

Fast immer: das heißt, gelegentlich geht dann doch der Wunsch, einen feuilletonistischen Kommentar zu einem Thema zu schreiben, mit dem Autor durch, und dann kommt ein Text heraus wie "schnösel", der mit seiner Verhaltenskritik goldrichtig liegt, aber wo Achleitner eben doch unter seinem Niveau moralisiert.

Märchen blickt in Brunnen

Doch der Großteil dieser absatzlosen Miniaturszenen sind Spiele von faszinierender Absichtslosigkeit, in denen etwa ein Märchen auftritt, in einen tiefen Brunnen blickt und einsehen muss, dass es einen Erzähler braucht: "ohne grimm geht gar nichts." Ebenso amüsant ist es, wenn sich zwei Männer mit "andreas-hofer-blick" am WC treffen und bemerken, dass sie so Teil einer Geschichte werden, aus der sie wieder herauskommen wollen, wenn das Einsteigen in einen Waggon und das Einsteigen in eine Geschichte überblendet werden oder wenn sich ein Veilchen und ein blaues Auge miteinander unterhalten. Achleitner hat so viel Sprachwitz, das es nicht einmal dann banal wird, wenn ein Einarmiger vor einem Second-Hand-Laden steht und sich eine zweite Hand kaufen will.

Ja, es ist ein Glück, dass Friedrich Achleitner nach einem Berufsleben für die Architekturgeschichte wieder zur Literatur zurückgefunden und mit den "einschlafgeschichten" 2003 seine erste Prosasammlung veröffentlicht hat. "wiener linien" (2004) und der neue Band schreiben diese lakonisch-verknappten Sprachspiele fort, deren Lektüre man nach jeder Seite unterbrechen und wieder aufnehmen kann. Diese Geschichten, die keine sind, sondern ihre Muster parodieren, sind Unterhaltung auf höchstem Niveau; sie lassen das wieder in Mode gekommene Erzählen ebenso weit hinter sich wie die Konstrukte der Avantgarde, die in der Gerhard Rühm gewidmeten "tapete für ein zimmer mit klavier" präsent sind.

"im ersten satz einer geschichte muss bereits alles enthalten sein, auch der letzte satz, auch der schluss: darum ist es gar nicht notwendig, eine geschichte zu schreiben." Dass diese Texte auch noch ihr Bauprinzip verraten, ist eine Pointe der besonderen Art, und in den ersten Sätzen steckt wirklich einiges: "ein sexkoffer, ein austrokoffer und ein vollkoffer treffen sich zufällig in der museumsstraße." Oder: "ein blöder mensch führte seinen blöden hund durch eine blöde wiener gasse." Auch der Buchtitel erklärt sich aus einem ersten Satz: "servus und, sagte oder." Und trotzdem: das Weiterlesen lohnt sich, weil eben keine Geschichten serviert werden, sondern genau konstruierte Satzlabyrinthe, bei denen es immer wieder spannend ist, auf welchen Ausgang sie sich zu bewegen. Vor Achleitner ist kein Sprachmuster sicher und erst recht kein Lebensmuster.

und oder oder und

Von Friedrich Achleitner

Paul Zsolnay Verlag, Wien 2006

110 Seiten, geb., e 15,40

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