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Friedrich Achleitner überrascht mit neuen Texten.

Friedrich Achleitner, einst Mitglied der legendären Wiener Gruppe um H. C. Artmann, gilt als Urheber der Architekturkritik in den österreichischen Zeitungen und hat in umfangreichen Publikationen die österreichische Architekturlandschaft neu vermessen. Als Literat hat er 1996 mit "Die Plotteggs kommen" das bislang letzte seiner spärlichen Lebenszeichen gegeben. Und jetzt überrascht er alle, die schon glaubten, er schreibe nicht mehr.

Kalkulierter Nonsens geistert leichtfüßig durch seine neuen Geschichten, die meist so harmlos beginnen, als wären sie wirklich Geschichten und dann ins Groteske kippen oder sich spielerisch in ihrer eigenen Konstruktion verfangen. Der Zündfunke dieser Prosatexte liegt oft in Bezeichnungen und Namen ("Blumen Streithansl") oder im Wörtlichnehmen von Metaphern wie "heiße Luft". Doch nie herrscht hier der avantgardistische Ernst sprachkritischer Exerzitien, sondern unverhohlene Spielfreude wuchert und treibt ihre Blüten. Da treffen sich Satzzeichen, Buchstaben, Sätze oder Begrüßungsfloskeln wie "tschüssi" und "servus", und schon beginnt das Abenteuer. Dabei kann man sich immer an dem delektieren, was der Autor seinem Buch als Motto vorangestellt hat: "ich schau so gern beim machen von geschichten zu." Und daher findet man natürlich auch ein Rezept für das Machen von Geschichten, das freilich gerade das nicht verrät, was man am liebsten wissen möchte.

Spaß an Geschichten

Nie sind diese Geschichten simpel, aber sie setzen keinerlei literarische Vorübungen voraus, erschließen sich jedem, der Spaß daran hat. Und sie sind genauso wenig mittelmäßig wie einer ihrer Protagonisten, der enthemmt ist, als er bemerkt, wie leicht das Mittelmaß mit einem Satz zu stören ist, auf die Fahrbahn springt und in seinem Tod lächelnd über das Mittelmaß triumphiert.

Tourismus-Grotesken

Tourismus ist ein Gravitationszentrum von Achleitners Texten, und auch hier sind es vor allem Formeln und Floskeln der Werbung und der Gastronomie, aber auch Ortswahrnehmungen und groteske Begebenheiten von unterwegs, die ihre Komik entfalten. Highlights: das Räsonieren über Stammgäste und Gaststämme, wo die Sprache ebenso wörtlich genommen wird wie sie Tourismusrituale aufs Korn nimmt. Oder die Erinnerung an einen leidenschaftlichen Papierserviettensammler, der unfreiwillig Veränderungen in der Fremdenverkehrsbranche dokumentiert, in dem er ihnen zum Opfer fällt.

Selten geht ein Text über mehr als eine Seite, der kürzeste brauchtn ur drei Zeilen: "gell, sagte er, gell, es gibt leute, die sagen nach jedem satz gell. gell? oder sie sagen nach jedem satz oder. oder?" Absonderlichkeiten finden sich auf Schritt und Tritt: ein bekennender Nasenbohrer, der liebe Gott, der aufpassen muss, dass er nicht mehr Arschlöcher als Menschen erschafft oder ein Mann, der den Tick hatte, jede Klomuschel mit seinem Strahl zu reinigen. Nie werden die Geschichten ekelerregend, aber zum Einschlafen sind sie erst recht nicht. Und doch schläft man danach wahrscheinlich besser, wenn man sich beim Lesen so intelligent amüsiert hat. Bleibt nur zu hoffen, dass Friedrich Achleitner auch weiterhin Spaß hat am Schreiben von solchen Geschichten.

EINSCHLAFGESCHICHTEN

Von Friedrich Achleitner

Zsolnay Verlag, Wien 2003

104 Seiten, geb., e 13,30

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