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„Verwirrt, unerfahren und frustriert ...”

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Ich habe es nicht getan. Wie können sie mir das antun, ich bin doch erst 19!” Der verzweifelte Schrei des britischen Au-pair-Mädchens Louise Woodward im Gerichtssaal der amerikanischen Stadt Cambridge, Massachusetts, ging um die Welt. Jetzt hat Richter Hiller B. Zobel das Urteil abgeändert (siehe nebenstehenden Beitrag).

Ist dieses neue Urteil ge rechter? Für die betroffenen Familien sicher nicht. Im Interview mit der englischen Tageszeitung „The Times” beteuerten Angehörige und Freunde die Unschuld der 19jährigen. Susan Woodward, die Mutter von Louise, plädiert für ihre Tochter: „Louise ist einfühlsam und liebevoll. Sie kann keinem Kind etwas zuleide tun.”

Im Gegensatz dazu die Eltern des verstorbenen Matthew Eappen: „Alle unsere Hoffnungen und Träume waren mit einem Mal wie weggewischt. Wir konnten es nicht glauben. Es ist unbegreiflich, daß unser Matty starb, weil ihm jemand wehgetan hat, dem wir vertraut haben”, zeigt die Mutter ihre Bestürzung über den Vorfall. Der Vater „hofft für Louise, daß sie erkennt, was sie getan hat, und daß sie eines Tages wieder den Frieden Gottes in ihrem Leben finden kann.”

„Louise Woodward ist bei dem Vorfall sicher nicht die einzig Schuldige”, glaubt Michaela Loidolthier in Wien. Die Mitarbeiterin der Organisation Ökista ist zuständig für österreichische Au-pairs im Ausland und kann sich die Situation, in der das Unglück passierte, gut vorstellen: Wahrscheinlich war das Au-pair-Mädchen tatsächlich total überfordert, meint Loidolt. Generell seien Au-pair-Auf-enthalte in Amerika jedoch gut organisiert. Die Arbeitszeit sei mit 45 Stunden pro Woche begrenzt (immerhin neun Stunden Kinderbetreuung pro Tag!), und dem Au-pair-Mädchen muß ein eigenes Zimmer zur Verfügung stehen.

Eveline Salmhofer von der Arbeitsgemeinschaft Auslandssozialdienst weiß von deutlichen Unterschieden zwischen Au-pair-Aufent-halten in Europa und jenen in Amerika: „Au-pair Europa und Au-pair Amerika sind zwei Paar Schuhe”, erklärt sie im Gespräch mit der FURCHE. „Bei einem Au-pair-Aufenthalt fh Amerika muß sich ein Mädchen für zwölf Monate verpflichten. Löst es das Verhältnis frühzeitig auf, wird auf ein im vorhinein eingezahltes Deposit zurückgegriffen, und das Mädchen muß für einige Zahlungen, wie jene der Rückreise, selbst aufkommen.” Die Aufgabe eines Au-pairs in Amerika bestehe zu 80 bis 90 Prozent aus reiner Kinderbetreuung. „Viele Mädchen, die als Au-pair ins Ausland gehen möchten, haben falsche Erwartungen. Sie wünschen sich, einmal von der eigenen Familie wegzukommen und erwarten nach der Schule die große Freiheit und Selbständigkeit. So nebenbei, meinen sie, würden sie halt auch ein bißchen Babysitten,” erzählt Loidolt. Doch in der Bealität sei Au-pair ein Ganztagsjob. Nicht selten handelt es sich dabei um die Betreuung von Kleinkindern.

Ihre Kollegin bei Ökista, Bosi Weinmann, sagt dazu, daß, abgesehen von der Kleinkinderbetreuung ein Au-pair-Aufenthalt für junge Menschen bedeute, sich einer gänzlich neuen Situation zu stellen. Das sei nicht so leicht zu bewältigen. Deshalb gelten für Bewerber - zumeist Bewerberinnen - strenge Bedingungen: Nach der Anmeldung mittels ausgefülltem Bogen folgen persönliche Interviews. Dabei werden die Mädchen genau durchgecheckt, bis hin zu einem ärztlichen Attest. Doch nicht nur auf der einen Seite wird streng geprüft. Die Gastfamilien durchlaufen ein ähnliches Prozedere.

Bereits als Louise Woodward vor mehr als einem halben Jahr in Untersuchungshaft kam, setzte eine Verschärfung der Bedingungen ein. In der Folge daraus wurde jetzt beispielsweise fixiert, daß Au-pair-Mädchen für Familien mit Kleinkindern - also zwei Jahre und darunter -200 Stunden Erfahrungen in Kinderbetreuung vorweisen müssen.

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