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Der Prophet in der „Farm der Politik“

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Er schien ein Autor zu sein, über den man alles weiß. Doch das war auch im Fall von Eric Arthur Blair, besser bekannt unter George Orwell, eine Täuschung.

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Er schien ein Autor zu sein, über den man alles weiß. Doch das war auch im Fall von Eric Arthur Blair, besser bekannt unter George Orwell, eine Täuschung.

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Michael Shelden, Orwells neuester Biograph, stützte sich nicht nur auf bisher unausgewertete Briefe und Akten sowie Gespräche mit vielen bisher nicht befragten Zeitzeugen. Er geht auch mit seinen Schlüssen neue Wege. Vor allem korrigiert er das Bild des britischen Polizeioffiziers Blair in Burma.

Orwell rang bekanntlich jahrzehntelang vergeblich um Erfolg und Anerkennung als Schriftsteller. Erst „Animal Farm“ brachte (übrigens nach der kalten Ablehnung durch einen Verlagslektor namens T. S. Eliot) den Durchbruch. Gerade darum ist die Frage, ob Orwell tatsächlich die naheliegende Konsequenz aus einem Mißerfolg zog, als er den Kolonialdienst quittierte, von Bedeutung. Aus Sheldens Material geht überzeugend hervor, daß sich Orwell, im Gegensatz zu bisherigen Darstellungen, die Zufriedenheit seiner Vorgesetzten erwarb, die ihm die Sicherung der bedeutendsten Industrieanlage Burmas und die

zeitweise Alleinverantwortung für einen Unterbezirk an vertrauten. Er galt als Anwärter auf eine glanzvolle Karriere, als er sich während eines Genesungsurlaubes entschloß, nicht nach Burma zurückzukehren, weil ihn das System zu brutalisieren drohte.

Shelden zeichnet den Gegentyp jener Labour-Abgeordneten, die, so Orwell, „für immer verloren sind, sobald ihnen ein Herzog auf die Schulter geklopft hat“, das Bild des Kompromißlosen, der nie zögert, sich zwischen alle Stühle zu setzen - etwa, indem er, im Spanischen Bürgerkrieg schwer verletzt und den stalinistischen Killern ums Haar entronnen, nicht nur die Faschisten, sondern auch die Linke kritisierte. Detailreich wird sein Konflikt mit dem Verleger Victor Gollancz belegt.

Fazit: Sehr gut geschriebene, bei großem Detailreichtum spannende Biographie.

GEORGE ORWELL Q

Eine Biographie.

Von Michael Sheldon.

Diogenes Verlag, Zürich 1993.

656 Seiten, öS 694,-.

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