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Die grausam schöne Insel

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Die Abrechnung mit einer „politischen Kaste“, die vor Unrecht und Grausamkeit die Augen verschloß, machte dieses Buch der Sizilianerin zu einem Bestseller in Italien.

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Die Abrechnung mit einer „politischen Kaste“, die vor Unrecht und Grausamkeit die Augen verschloß, machte dieses Buch der Sizilianerin zu einem Bestseller in Italien.

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Eine Kindheit auf Sizilien“, wie es im Untertitel heißt, ist es eigentlich nicht, vielmehr ein Lebensbericht mit vielen Bezügen, zur Familie der Principi di Alliata und Duchi di Salaparuta vor allem, aus der die Autorin mütterlicherseits stammt. Was auf persönlich Erlebtes der 1936 in Florenz geborenen Dacia Maraini zurückgeht, die, elfjährig mit ihren Eltern aus der Härte eines japanischen Internierungslagers entlassen, in der Villa Valguamera beim alten Großvater Alliata Aufnahme findet, so fällt es in eine Zeit, in der Sizilien gerade noch einen Rest von hergebrachten Werten besaß.

Wie da sich nämlich die Insel, nach der Landung der Alliierten und dem neuerlichen Aufkommen der durch den Faschismus bloß zurückgedrängten und in der politischen Unsicherheit der Jahre nach dem

Zweiten Weltkrieg wieder erstarkten und grausamer denn je gewordenen Mafia, verändert hat, das zeigt das Buch deutlich, in einer Atmosphäre von Brutalität und einer Angst, der- zufolge niemand — wollte er nicht seine Augen verlieren oder geschändet und dann geschlachtet vor der eigenen Haustüre landen - etwas gesehen, gehört oder gesagt haben durfte, was er nicht hätte sehen, hören oder sagen dürfen. So wurden alte Besitztümer und eine in Jahrhunderten gewachsene Kulturlandschaft ihrer Schönheit und Ehrwürdigkeit und die Menschen weitgehend der persönlichen Freiheit beraubt.

Wer aber Sizilien kennt, der weiß, wie die Autorin natürlich auch, daß man gerade dort der Güte und Treue einfacher Leute sowie manchem Aristokraten begegnet, dem jede Anmaßung fern liegt und dessen Bildung der überlieferten Geistigkeit Europas durchaus entspricht. Wie

nun Dacia Maraini mit dem Charme der großen Erzählerin und der Liebe zum Detail vom Hundertsten ins Tausendste gerät und Vergangenes zur Gegenwart macht, ist aufregend und beruhigend zugleich. Sie scheut sich nicht, ihre Standesgenossen schwer zu belasten, die „habgierig, scheinheilig, räuberisch all die Übel verursacht haben, an denen die Insel krankt“, indem sie die Mafia deckten, um ihre „Bauern zu kujonieren, wobei sie sich nicht um die Methoden scherten, die diese ,Aufseher1 wählten, und die Augen schlossen vor… der nicht enden wollenden Gewalttätigkeiten, die … außerhalb ihres empfindsamen Blickfeldes verübt wurden“.

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