Der Tod des österreichischen Philosophen und Nationalökonomen Leopold Kohr, der durch die von ihm geprägte Formel „Small is beautiful" zum Ahnherrn der ökologischen Bewegung wurde, ist ein Anlaß mehr, über die Richtigkeit und das Zukunftweisende seiner Aussage nachzudenken.
Im Grunde stimmt die Maxime dieses prophetischen Denkers mit der Lebensweisheit Franz Grill-parzers überein: „Und die Größe ist gefährlich…". Die wörtliche Bedeutung geht mit der übertragenen Hand in Hand: die Aussage richtet sich sowohl gegen menschlichen Größenwahn und Großmannssucht als auch gegen ungehemmtes ökonomisches Wachstum als oberstem Ziel der Wirtschaft. Wenn heute allenthalben von qualitativem statt quantitativem Wachstum die Rede ist, so ist dies nicht zuletzt die Frucht des von Kohr und anderen vor-renommenen Umdenkens. ätten die Österreicher schon in der Zwischenkriegszeit der Philosophie Kohrs gehuldigt, so hätten sie unser Land damals schon als lebensfähig und lebenswürdig empfunden und ihr Heil nicht im Anschluß an den deutschen Giganten erblickt. Die Formel Kohrs ist aber kein Allheilmittel. Es gibt durchaus Bereiche, in denen Großräumigkeit und großflächige Planung am Platze sind. So ist der Rückfall in die Kleinstaaterei nach dem Zerfall der großen Reiche nicht unbedingt als Fortschritt zu werten.
Das Lob der Kleinheit wird aber auch schon im Neuen Testament gesungen: das Herrenwort -„Lasset die Kleinen zu mir kommen" - ist nicht nur auf die Kinder, sondern wohl auf alle Menschen bezogen, die im guten Sinne kindlich geblieben sind und klein vor Gott sein wollen und die gerade deshalb echte Größe besitzen. Und der Turmbau zu Babel aus dem Alten Testament wurde von Gott zerstört, weil die, die ihn bauten, zu hoch hinaus wollten.
Die Formel Kohrs ist also vielseitig anwendbar. Sie erinnert uns an unsere Grenzen, die so viele Menschen heute nicht sehen wollen, obwohl wir auf Schritt und Tritt auf sie stoßen. Aus dem Glauben schöpfen wir die Hoffnung, daß die, die im Kleinen getreu sind. Großes geschenkt erhalten werden.
