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Die Kunstblumen des Geistes

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Philosopher, c'est se moquer de la Philosophie. Philosophieren heißt also, sich über Philosophie lustig zu machen. Mit einem Witz dürfte Sokrates seine Athener ins Gespräch gezogen haben. Schopenhauers Theorie des Lächerlichen, wonach dieses durch die Subsumtion eines realen Gegenstandes unter einen heterogenen Begriff entsteht, läßt sich ebensogut auf die Philosophie anwenden. Fangen wir doch immer dann entweder zur philosophieren oder Witze zu machen an, wenn unsere Begriffe von der Wirklichkeit nicht mehr mit dieser Wirklichkeit zusammenfallen.

Es scheint, daß die Politik in idealer Weise einen solchen witzefördernden Zustand repräsentiert. Denn obgleich man Napoleon weiterhin glauben darf, daß sie das Schicksal ist, so zeigen doch die zahllosen Witze, die über die Politik gemacht werden, daß man sie trotzdem nicht ganz ernst nimmt. Das soll nicht heißen, daß sie es nicht ist. Aber die Entstehung dieser Witze kann auch nicht immer nur auf Galgenhumor zurückgeführt werden, von dem die Herausgeber in ihrem witzigen und ebenfalls von Witzen durchsetzten Nachwort behaupten, daß es dem Bestreben des Geistes entspringt, den Tod abzuwehren und zu überwinden.

Diese ernste Auffassung vom Wesen der Witze hat sie zweifellos veranlaßt, ihnen ein ganzes dickes Buch zu widmen, sie darin nach Herkunftsländern einzuteilen, den Teilen das beste vom besten aus der Literatur des jeweiligen Landes als

Viono voranzustellen und scniieuiicii Werner Finck zur Anfertigung eines □assenden Vorwortes zu bewegen, kurz, den politischen Witz literatur-Eähig zu machen. An die 500 haben sie gesammelt und dazu 140 selbständige Witzzeichnungen gegeben. Welche am besten sind? Ob die kurzen, die langen, die russischen, deutschen Witze? Es gibt keine Regel. Fest steht nur, daß kein einsiger schlecht ist (Gegensatz von gut!), das heißt, keiner, der nicht zum Lachen wäre. Dann wäre es ja auch kein Witz. (Wie ein schlechter Arzt, nach Piaton, gar keiner ist.) Und trifft man einmal doch auf einen schlechten (Gegensatz von harmlos), dann ist er bestimmt nicht schlecht.

Nur wer bedenkt, daß diese Witze schon sehr alt sind, kann ermessen, wie gut sie sein müssen. Würde man sonst denn laöhen können? Witze, die Kunstblumen des Geistes, können eben nur verstauben und nicht verderben, wie die Naturblume Literatur. Diese muß, nach Sartre, frisch genossen werden, wie Bananen.

Zur Entstaubung von Witzen ist nur erforderlich, daß man sie gut erzählt. Dann sind sie wieder wie neu. Daß sie das getan haben, dafür sei den Herausgebern herzlich Dank gesagt und dazu noch der Rat gegeben, die Schuld einer eventuell unterschiedlichen Wirkung ihrer Witze, ein Wort Lichtenbergs “variierend, auf die Leser abzuwälzen: Wenn einer einen Witz nicht zum Lachen findet, dann liegt das nicht allemal am Witz.

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