6719133-1965_04_11.jpg
Digital In Arbeit

Die sogenannte Leere

19451960198020002020

GANZE TAGE IN DEN BAUMEN. Erzählniig von Margnerite Dura. Edition Suhrkamp. Preis 3 DM.

19451960198020002020

GANZE TAGE IN DEN BAUMEN. Erzählniig von Margnerite Dura. Edition Suhrkamp. Preis 3 DM.

Werbung
Werbung
Werbung

Der Titel verspricht Poesie, Träumerei, Illusion. Der Vorwurf dieses Buches wäre stark genug, um ein psychologisches Meisterwerk zu tragen. Nichts davon erwartet den Leser in Marguerite Duras' neuestem Oeuvre. Die durch Filmdrehbücher und Erzählungen bekanntgewordene Autorin — man denke an „Hiroshima, mon amour“ oder „Moderato Cantabile“ — entledigt sich des Stoffes mit oberflächlicher Kaltschnäuzigkeit.

Da ist eine Mutter, die, inzwischen steinreich geworden, nach langen Jahren der Trennung den Sohn besucht mit der versteckten Absicht, einen zerrissenen Kontakt wiederherzustellen und den „Jungen“ zurückzuholen in ein Haus, wo Luxus und Einsamkeit herrschen. Sie findet einen Fremden vor, der an der Seite einer von ihm teils verachteten, teils geduldeten Lebensgefährtin ein zwielichtiges Dasein führt. Mutter und Sohn haben sich nichts zu sagen, sie ersticken in der Banalität der Leere, die sie mit verzweifelt-belanglosem Geplauder stopfen möchten. Es ist vergeblich, es bildet sich kein noch so dünner Faden des Ver-stehens. Die Mutter flieht vor dem eigenen Sohn.

Ein großer Stoff also. Geeignet, das Symptomatische der allgemeinen Situation des heutigen Menschen aufzuzeigen. Die sterile Ichbezogenheit, der tödliche Egoismus des modernen Menschen führen zu einer furchtbaren, eisigen Isolation, an der er zugrunde geht, die ihn abwürgt. Die Tragik, die in der erstarrten Farce der Beziehung zwischen Mutter und Sohn liegt, wäre auszuloten gewesen. Marguerite Duras trifft nicht den Nerv des Problems, sie bleibt hoffnungslos an der Oberfläche, sie zeichnet Figuren anstatt Menschen. Der Leser wird kaum berührt, er fühlt nicht mit, und selbst die bei heutigen Romanen in Frankreich meistens noch vorhandene Brillanz des Aufbaus, des Stiles, fehlt fast völlig. Es bleibt der schale, unzulängliche Versuch, Leere, Verzweiflung, Bitterkeit im Menschen mit äußerlichen Mitteln zu schildern.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung