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„Dienst am Volk“

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Die Gründerzeitfassade des Wiener Künstlerhauses ist hinter einem Gerüst au6 verchromten Rohren, hinter großen Photomontagen und grellen Plakattafeln verschwunden: ein Seiteneingang ist, zwischen Eisenträgern und Aluminiumdächern, zum Hauptportal geworden; die Fußböden sind bedeckt mit weißem Schotter oder bunten. Gummi- platten — selbst die Innenstiege ist verschwunden und durch eine noch dazu gegenläufige Treppe ersetzt worden. Auch der beste Kenner des Hauses kennt die Räume nicht wieder: 6ie haben sich in der vom Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau veranstalteten Ausstellung — „Dienst am Volk“ ihr Name — ganz und gar aufgelöst.

Es ist dies nach der großen, übrigens vom selben Architekten (Schwänzer) aufgebauten Gewerbeschau im vergangenen Jahr die zweite mit modernsten Mitteln der modernen Ausstellungstechnik geschaffene Monsterexposition, die das Wiener Publikum sieht. Der Architekt hat hier zweifellos schwierigere Aufgaben zu lö6en gehabt: er mußte einen Überblick über die Tätigkeit eines Ministeriums geben, dessen Agenden — zu denen Bergbau und Denkmalpflege, Wohnbau und Filmproduktion gehören — ungemein zahlreich und uneinheitlich sind; und da die Ergebnisse und der Umfang solcher Tätigkeit nun einmal erst in der Statistik und der Abrechnung zu fassen 6ind, stand der Entwerfer ferner vor der fast unlösbaren Frage, wie denn solch trockenes Material für ein breiteres Publikum schmackhaft zu machen sei. Nun, er hat sich gut aus der Schlinge gezogen, als er mehr Wert darauf legte, vor allem die Fülle der Arbeitsgebiete darzustellen und im übrigen zu hoffen, daß sie schlagwortartig hervorgehobene Zahlen, Produktionskurven und Prozentsätze in das weniger schnell ermüdende Unterbewußtsein des Besuchers eingrüben. Die Teams der Graphiker und Arrangeure dürfen 6ich über einen Mangel an Einfällen nicht beklagen: Die Abteilung „Papier", in der das statistische Material wie auf Zeitungspapierrollen Vor dem Auge des Besuchers vorübergleitet, ist ihnen ebenso gelungen wie etwa die Abschnitte „Chemie“ oder — besonders hübsch — „Schmuckindustrie’. Ein wenig zuviel des Guten wird im Mittelsaal geboten, der dem Bergbau eingeräumt iet — hier entwickelt die graziös-konstruktivistische Methode Schwänzers unvermutet eine Art von geometrisierendem Barock, in dessen Details man sich kaum mehr zurechtfindet.

Eine interessante Ausstellung al6o, voll Elan und Großzügigkeit. Als Kunstreferent ist der Unterzeichnete glücklich. Als Steuerzahler allerdings hofft er, daß nicht die anderen Ministerien plötzlich vom Nachahmungsdrang gepackt werden

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