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Dn Quijote mit Sombrero

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Die Wechselfälle der lateinamerikanischen Politik, die ständig zwischen Diktatur und Demokratie schwankt, werden bei der Wahl des 78jährigen Dr. Jose Maria Velasco Ibarrain Ekuador ebenso deutlich wie bei der von Dr. Arnulfo Arias in Panama. Der ekuadorianische Präsident ist wohl die eigenartigste Persönlichkeit auf der politischen Bühne des Halbkontinents. Man nennt ihn oft den Don Quijote. In der Tat ist er groß, hager und kahl, sein sehr scharf geschnittener Kopf wirkt fast unheimlich; er spricht würdevoll, um nicht zu sagen geziert. Aber auch in seinen politischen Allüren macht er dem Helden von Cervantes alle Ehre. Ob die Anekdote wahr ist, die man von ihm erzählt, oder nicht, jedenfalls kennzeichnet sie seine wohlwollende Demagogie: Auf einer Wahlreise, die durch unzählige Dörfer führte, rief er: „Die Brücke soll gebaut werden.“ „Wir haben keinen Fluß“, antworteten die Wähler. „Den sollt ihr auch haben“, entgegnete schlagfertig Velasco. Er ist ein glänzender Redner und verfügt über ein außerordentliches Suggestionsvermögen, besonders gegenüber der breiten Masse. So ist er zum sechstenmal

Präsident geworden. Von den fünf bisherigen Amtsperioden hat er nur eine beenden können. Bei einer ließ ihn das Heer erst gar nicht an die Macht, in drei Fällen stürzte es ihn, einmal sogar nach nur acht Tagen. Nun ist der schnelle Szenenwechsel in Ekuador besonders auffällig. In 43 Jahren hat es 38 Präsidenten gegeben. Das Erstaunliche ist nur, daß sich die Volkstümlichkeit Velascos 40 Jahre lang erhalten hat, von denen er 20 Jahre in der Emigration verbrachte. Im Gegensatz zu vielen seiner Köllegen ist Velasco unbestechlich; er hat sogar eine Abneigung gegen das Geld und behauptet, daß wir „unter der Herrschaft des Geldes und des Sex falsch leben“. Dr. Velasco Ibarra hat den größten Teil seiner Exiljahre in Buenos Aires gelebt, wo er meist an der Universität lehrte. Als er 1961 gestürzt wurde, folgte er einer Einladung der Universität Montevideo, die ihn aber kaltstellte, als er das Objekt von erbitterten Studentendemonstrationen wurde, die ihn dafür verantwortlich machten, daß die Polizei in Guayaquil — seinem Heimatort — zwei Kommilitonen bei einem Universitätsstreik erschossen hat.

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