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Genet im Keller

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In Jean Genets beiden großangelegten Einaktern „Unter Aufsicht“ und „Die Zofen“, die zur Zeit im Theater „Das Experiment“ laufen, erscheint die so oft bewunderte, an die großen Vorbilder der französischen Klassiker gemahnende dichterische Sprachgestaltung des Autors von einer prävalenten komplexerfüllten Autobiographik zurückgedrängt. Genet verbüßte lange Gefängnisstrafen und macht aus seinen ins Kulthafte gesteigerten homoerotischen Neigungen kein Hehl. In den beiden Stücken zeigt er, wie der Schwächling, der kleine schäbige Dieb und das hysterische Geschwisterpaar der Zofen das Verbrechertum um seiner selbst willen erstreben, aus krankhafter Geltungssucht. Es geht um die Gloriole, die auch den großen Übeltäter umstrahlt. Keinem der beiden Werke liegt sozialkritische Tendenz zugrunde, die Situation als solche wird als Gegebenheit hingenommen und überhaupt nicht in Frage gestellt.

Fred Schaffer rührte Regie, er hätte ruhig den Mut zu Straffungen haben können. Das Zuchthausdrama „Unter Aufsicht“ ging ihm besser von der Hand und hat mehr Dichte, obgleich Josef Peter Parak als von seinen Mithäftlingen bewunderter Totschläger sehr matt ist, schauspielerisch und vor allem als Sprecher. Georg Trenkwitz ist ein Nervenbündel von einem Sträfling, und Serge Wolf legte sich ganz auf den Stil eines pathetischen großjährigen Lustknaben fest.

Das Stück „Die Zofen“ (nach Anweisung des Autors eigentlich von Männern zu spielen) zog sich gewaltig in die Länge, und die Darstellerinnen verfielen zuweilen in einen Konversationston, als stünde ein Boulevardstück auf dem Programm. Grete Russ und Hilde Günther machten die Verkrampftheit und Abwegigkeit der beiden Schwestern glaubhaft, Jovitä Dermota ließ als gnädige Frau yöllig. kalt. - Echtes Anliegen oder Genet-Möde? Man war ge-' neigt, letzteres anzunehmen.

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