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Halt vor Karl May?

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Ludendorff bezeichnete einmal das Werk Karl Mays als pazifistisch und un- heldisch Er verglich das christliche Sterben des Heiden Winnetou mit dem heidnischen Untergang des .Christen" Hagen, wobei natürlich die arme Rothaut schlecht abschnitt. Die NS-Größen —- sonst nicht immer ln Übereinstimmung mit Ludendorff — schlossen sich in diesem Fall der Meinung des Generals an. Auch ihnen war der Jugendschriftsteller zu „christlich“. Wodurch der Verlag schließlich, um das Weitererscheinen zu ermöglichen, gezwungen wurde, eine „gesäuberte", verstehe: „entdiristlichte Ausgabe vorzubereiten.

Ludendorff war allerdings nicht der einz;7e, der gegen die Werke Karl Mays

Einwände erhob. Ein namhafter Literaturprofessor Wies auf deh schlechten Stil und die grammatikalischen Fehler in den Büchern des ehemaligen Vol-hsschul- lehrers hin. Einen Mann, namens Cor- aäölf — er Soll jft der Schweiz leben —, ließen diese beiden Vorwürfe, des Generals und des Professors, nicht ruhen. Er kündigte eines Tages eine Neuauflage der Werke Karl Mays an, in der alle grammatikalischen Fehler, aber auch „alle sprachlichen Marotten“, Vor allem auch „alle frömmelnden Ergüsse ausge- merzt sein sollten. Öb der Plan des Mannes gelang, ist uiibekanht. Doch will es fast scheinen, daß die Kärl-May-Aus- gäbeh, die derzeit in Österreich zü kaufen sind, durch die Hand dieses Bearbeiters gegangen sind. In ihnen sind tatsächlich nifht nur die grammatikalischen Fehler ausgemerzt, sondern auch fast alle „frömmelnden Einflüsse". Das bedeutet, daß aus dem gesamten Werk Karl Mays alle Hinweise aüf das Alte Testament, die nicht gering sind, und ebenso aüf das Heue Testament radikal gestrichen würden. Ebenso wurden Worte, wie „fromm", „heilig“ usw. entfernt.

Sätze wie „vom christlichen Standpunkt aus“ (Band 19), oder „Ein Christ, dessen Pflicht es ist“ (Band 18), sucht der Leser vergeblich. „Ein Christ rächt sich nie“ (Band 14) hat der „Bearbeiter" in „Old Shaterhand rächt sich nicht üihgeähdett. Aus „Götttes Berge“ (Band 19) werden schlicht „Berge", aus dem „Herrscher aller Dinge" (Band 19) wurde „ein höherer Wille nach ewigem Gesetz".

Die NS-Zeit ist schon lange vorbei, kein vernünftiger Mensch hat ein Interesse, ihre Thesen weiterzuverbreiten, sondern im Gegenteil: den Schaden, den diese Zeit anrichtete, wieder gutzumachen. Warum soll die Wiedergutmachung ausgerechnet vor Karl May haltmachen? Die Pädagogen werden es nur begrüßen, und ebenso die .fügend, die iii früheren Zeiten immer so begeistert nach diesen Büchern griff, und gern bereit war, sich den „frömmelnden Einflüssen“ des Autors auszusetzen.

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