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„Gelobt sei, was hart macht“

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Das Schrifttum Karl Mays hat verschiedene Bewertungen erfahren. Viele lehnen es als literarisch wertlos ab, andere bezeichnen es als einen Grenzfall des Dichterischen. Otto Forst de Battaglia hat in seinem Buch „Karl May — ein Leben, ein Traum“ auf die vielen Fehler grammatikalischer Art hingewiesen, die dem Autor unterlaufen sind, auf die zahlreichen Kommas, Strichpunkte und langen Sätze. Die Jugend hat sich nie um die Urteile der Germanisten gekümmert, sie griff immer wieder mit glühenden Augen 'nach diesen Büchern, in denen ihnen eine Welt vorgezaubert wurde, die ihre Herzen begeisterte. Viele Erzieher sahen diese Bücher nicht ungern in den Händen der Jugendlichen. Die ethischen Werte, der christliche Gehalt, den diese Bücher besaßen, übten einen guten Einfluß auf das Gemüt Jugendlicher aus. Diese Eigenschaften müßten das Werk des ehemaligen sächsischen Volks-schullehrers gerade heute wieder begehrenswert erscheinen lassen. Leider sind infolge des Krieges alle Werke Karl Mays vollständig vom Büchermarkt verschwunden.

Dies hat in der Schweiz einen findigen Schriftsteller — Hans Cornioly heißt der

Mann — veranlaßt, das meistgelesene Buch Karl Mays, den dreibändigen „Winnetou“, neu herauszugeben. Allerdings in einer gekürzten und — „revidierten“ Ausgabe. Jeder wird glauben, der Bearbeiter habe die grammatikalischen Fehler ausgemerzt. Weit gefehlt, die Mehrzahl von ihnen blieb bestehen, wurden sogar durch neue ergänzt. Was der Bearbeiter ausmerzte, • sind, wie er im Vorwort anführt, insbesondere „alles prahlerische Gerede, alle Ichbezogenheit, klebrige Freundschaftsbezeigungen, stilistische Marotten, frömmelnde E r g ü s s e“.

Jeder Leser der Werke Karl Mays weiß, was diese „frömmelnden Ergüsse“ in dem „Winnetou“ bedeuten.

Ludendorff bezeichnete einmal das Werk Karl Mays als pazifistisch und unheldisch. Er verglich das christliche Sterben des Heiden Winnetou mit dem heidnischen Sterben des Hagen. Bei welchem Vergleich natürlich die arme Rothaut schlecht abschnitt.

Ein grauenhafter Krieg liegt hinter uns. Ein Krieg, in dem jene Partei verloren hat, die das Christentum als pazifistisch und unheldisch ablehnte und die das berühmte Wort von Dr. Goebbels „Gelobt sei, was hart macht“ aus allen Lautsprechern und von allen Plakaten schreien ließ. Daß jetzt, in der Zeit des Friedens, noch solche Bücher wie der „revidierte“ „Winnetou“ ersdieinen, beweist, daß jene Ideen, die der Nazismus propagierte, noch lange nicht tot sind und daß der Kampf für den Frieden von allen jenen, die den Frieden wollen, weitergekämpft werden muß.

Sonst könnten wir es eines Tages erleben, daß die „Kristin Lavranstochter“ oder die „Brüder Karamasoff“ „frei von allen frömmelnden Ergüssen“ erscheinen.

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