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Jugend im Osten - wohin?

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Hat man sich eingebildet, es könnte mit ein bifjchen mehr Wohlstand hier und ein bifjchen mehr Weltanschauung dort sein Bewenden haben! Auch der reiche Kornbauer im Evangelium, Lukas 12, tat einen Blick auf den eingefahrenen Erntesegen und sagte: „Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iį, trink und habe guten Mut." (Es reichte dann nicht einmal für die folgende Nacht.) Wundert man sich aber, wenn diese Jugend noch bereitwilliger und fast mit Todesverachtung am ideologischen Dörrgemüse aus dem 19. Jahrhundert kauf, bevor sie dem geist- und seelenlosen Materialismus der Wohlstandskrämer nach läuft)

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Hat man sich eingebildet, es könnte mit ein bifjchen mehr Wohlstand hier und ein bifjchen mehr Weltanschauung dort sein Bewenden haben! Auch der reiche Kornbauer im Evangelium, Lukas 12, tat einen Blick auf den eingefahrenen Erntesegen und sagte: „Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iį, trink und habe guten Mut." (Es reichte dann nicht einmal für die folgende Nacht.) Wundert man sich aber, wenn diese Jugend noch bereitwilliger und fast mit Todesverachtung am ideologischen Dörrgemüse aus dem 19. Jahrhundert kauf, bevor sie dem geist- und seelenlosen Materialismus der Wohlstandskrämer nach läuft)

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Begeht man andererseits nicht einen Irrtum zu glauben, die weithin fehlende Publicity über die unruhevolle Jugend in Ost- und Südosteuropa käme einer neuen Biedermeierzeit gleich? Gewiß, die osteuropäische Jugend geht heute mit ihren Transistorgeräten auf Straßen und Plätzen, hört am liebsten „westliche“ Beatmusik, ersehnt ein Motorrad und — vor allem — freie Reisen ins Ausland, und zwar vorzüglich in den Westen. Teenager-Moden, westliche Sansculotten-Anzüge dringen bis Moskau und Samarkand. Aber eben von einem sowjetischen Schriftsteller unserer Tage, Dudyncev, stammt auch der Romantitel: „Nicht vom Brot allein.“ Berichterstattung? Seit Februar 1968 sollte man annehmen, daß Polens Studenten wieder klaglos und brav im Gespann laufen. Aus der DDR, dem Ulbricht- Staat, dringen keine Proteste an die Außenwelt. In Moskau und Leningrad oder Sofia meint man, das strenge Studienprogramm, die alljährlichen Aufstiegsprüfungen würden Gewähr bieten, daß sich die Jugend der Fakultäten mit dem „anarchistischen, trotzkistischen und maoistischen Gedankengut“ kaum herumschlägt oder es sich gar einfallen läßt, auf der Straße zu demonstrieren. In Prag, Belgrad und Bukarest ist es dagegen zu studentischen Streiks und Massenkundgebungen gekommen, wurde darüber berichtet, nahmen Partei- und Staatsführer zu deh Wünschen der Jungakademiker Stellung. Je weniger berichtet wird, um so untergründiger und explosiver bereiten sich in Osteuropa Proteste und Reaktionen vor.

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