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Kriminalgeschichte

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Wie ist das nun? Der Verleget versichert uns, Carlo Emilio Gadda habe an dem Roman „Die gräßliche Bescherung in der Via Merulana“ zwanzig Jahre lang gearbeitet, und die Kritik habe dieses sein Hauptwerk als „den bedeutendsten italienischen Roman der Nachkriegszeit“ bezeichnet. Es geschieht also manches, um den Leser, und mit ihm die Kritik, von vornherein günstig und aufnahmebereit zu stimmen. Das ist das gute Recht des Verlegers. Aber wir können seine Beteuerungen nur unter großem Vorbehalt zur Kenntnis nehmen. Gaddas schäumender, brodelnder Stil erfreut uns anfangs, ebenso der kräftige Lokalpatriotismus, mit dem er zum redseligen Herold der schönen, lebensvollen Stadt Rom wird. Allein sein italienisches Temperament, seine südländische Redseligkeit gehen mit ihm durch, das Gedränge der Worte steigert sich für uns Mitteleuropäer zu einem geradezu unerträglichen Schwall.

Das Buch soll so etwas wie ein künstlerisch verdichteter Kriminalroman sein. In einem Haus der Via Merulana • die dem Buch den schnoddrigen Titel gibt — wohnen reiche Leute. Und eines Tages wird dort eine schöne Frau auf bestialische Art ermordet. Dem Kriminalkommissär, der sie still verehrt hat, fällt die Aufgabe zu, die Untersuchung der „gräßlichen Bescherung“ (!) zu führen. Es stellt sich heraus, daß der Lebenskummer der Schönen ihre Kinderlosigkeit gewesen ist. Sie unternahm die verschiedensten skurrilen Versuche, durch Adoption ihre Sehnsucht nach einem Kind zu stillen. Die Untersuchungen, welche die Polizei nun zu führen hat, schaffen für den Autor manche gut ausgenützte Gelegenheit zu bemerkenswerten Gesprächen. Aber in dem sichtlichen Bestreben, dem Schema des Kriminalromans aus dem Wege zu gehen, verzichtet er auf ein klares Ergebnis. Der Roman hat bezeichnende Vorzüge, die ihn jedoch noch nicht zu einer wirklich empfehlenswerten Lektüre machen. Die deutsche Wiedergabe erfaßt ausgezeichnet das Wesentliche des italienischen Stils, sie ist flüssig, das Werk eines guten Übersetzers.

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