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Revolutionär des Alltags

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Die Festung:. Roman von Henry Jaeger. Verlag: Kurt Desch. Wien-Miinchen-Basel; .309 Sei- ten. Preis 10.80 DM.

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Die Festung:. Roman von Henry Jaeger. Verlag: Kurt Desch. Wien-Miinchen-Basel; .309 Sei- ten. Preis 10.80 DM.

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Der Arbeiter Hugo ,Starosta und seine siebenköpfige Familie bestreiten den Handlungsablauf durch die ereignisreichen Nachkriegsjahre. Zusammengepfercht mit Hunderten von anderen Vertriebenen hausen sie in einer alten Festung und warten auf die Zuweisung einer Wohnung in der Stadt. Hugo Starosta hat den Anschluß an das neue Deutschland verpaßt. Früher besaß er etwas Land, von dort wurde er weggeholt, kam zum ‘ Militär und- später in die Gefangenschaft. Freigelassen fand er seine vertriebene Familie und wurde mit ihr von Barackenlager zu Barackenlager dirigiert, um schließlich in der Festung ein Zimmer zu erhalten. Er lebt von der Fürsorge, da er sich Zu schwerer Arbeit unfähig fühlt. Für die Starostas hat das Karussell des staatlich gesteuerten Lebens nie angehalten, und sie haben sieh auch nicht mit eigener Kraft freispringen können.

Henry Jaeger versucht mit dieser Erstlingsveröffentlichung eine Anklage gegen alle jene, die den einzelnen Menschen statistisch erfassen wollen und dabei nicht einmal dem Arbeiter und Trinker Starosta gerecht werden. Aber diese Anklage mißlingt. Hugo Starosta ist gut geschildert, lebensnah und waschecht. Wir selbst haben ihn als Nachbarn erlebt und wir finden ihn heute noch in den Aktenbergen der Sozialämter. Seine Geschichte hat keine Tragik. Sein Leben wird weiter ein Streit mit den Ämtern bleiben, die ihn aufreiben werden, wie viele vor ihm aufgerieben wurden. Er kann nicht aus seiner arbeitsscheuen und widerspenstigen Haut heraus, aber ebensowenig werden die Behörden in ihm jemals etwas anderes sehen können als ein asoziales Element. Hugo Starostas Leben bleibt eine Tatsache, und ein Bericht darüber eine Feststellung.

Die Gestalten, die Henr-y Jaeger schildert’, entbehren nicht der Glaubwürdigkeit, der Handlungsablauf ist interessant und. flüssig, trotzdem ist „Die Festung“ kein Ro man. Allzu deutlich ist das unsichtbar bleiben wollende Filter des Erzählers spürbar. Die Ereignisse und die Personen, die diese Ereignisse herbeiführen, sind. Schemen; sie Schemen Erinnerungsbilder Henry Jaegers zu sein, ihnen fehlt die Lebendigkeit und Eigenwirklichkeit, die den handelnden Personen eines Romans nicht fehlen dürfen. Jaeger läßt die Starostas reden und führt in kleinen Zwischentexten neue Gesprächspartner zusammen. Was sie sagen, scheint nahezu wortgetreue Wiedergabe von wirklich Gesagtem zu sein — darin liegt eine gewisse Eigenart - des Stils Jaegers. dem es dabei auch gelingt, die gänzlich fehlenden Umwelts- und Lebensschilderungen Zu ersetzen —, aber zu einer schriftstellerischen Bewältigung seiner eigenen Erinnerungen kommt Jaeger nicht, es fehlt die Umsetzung jener Ereignisse in die Efgenleben- digkeit der Welt des Romans.

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