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„Sogar WC aus Gold

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„Warum“, so fragt sich „Österreichs begehrteste Boulevardzeitung“ kokett, „greifen immer mehr Leser zum neuen,Express'?“ Die Antwort fällt der „modernen Boulevardzeitung“ leicht: „Weii er seine Leser glücklich macht!“ Das gelingt ihm, „weil er auch das bringt, was abseits des Weltgeschehens menschlich bewegt“. Vor allem Frau Onassis bewegt uns menschlich, und so bekennt das Dienstmädchen Grethe Nil-sen: „Ich erlebte Jackie, wie sie wirklich ist... Frau Onassis kam nie zu uns, wenn sie etwas wollte, sie benützte nur die Sprechanlage ...“

Und was noch viel schlimmer ist: „Die Perserteppiohe bereiteten mir immer große Sorgen ... Vor allem ein prächtiger orientalischer Teppich ... gab Anlaß zu Unmut, denn... auch dieser mußte, wie alle anderen, immer wieder gereinigt werden.“ Und Jackie „bestand empfindlich, ja geradezu besessen auf genaueste Einhaltung ihrer Anweisungen“.

Pfui! Der Leser, vergrämt über soviel Frechheit, schätzt sich glücklich, mit „Jackie, dem Schrecken aller Dienstmädchen“ nicht menagieren zu müssen und wendet sich anderen Dingen zu. Schließlieh bietet der „Express“ ja mehr Unterhaltung und mehr „Information“. Es schlägt „die Stunde der Wahrheit“ — „Schicksale“ bekennen, daß sie „Sehnsucht nach normaler Liebe“ empfinden oder „der Stiefvater“ nur „an etwas“ denkt. Getreu dem Motto „das ganze Leben erfassen“, recherchieren „Express“-Jourmalisten quick: „Bei Barbara ist sogar WC aus Gold“ berichten sie im rasanten Kurzstil oder diesmal etwas holprig: „Sex auf dem Lande: nach dem dritten Viertel geht es los auf den Wiesen.“

Nun, die Landjugend +obt sich aus, während „die versnobten und präpotenten Stadtmenscher“ möglicherweise „Sex am See“ betreiben, „Krawatten als Sexsymbol“ erkennen oder entsetzt begreifen, daß „normale Liebe ihm nichts bedeutet“.

Wen wundert noch, daß eine „Jungfrau auf Bestellung“, nachdem sie getreu der „Express“-Überschrift „Schnall dir deinen Liebsten um den Bauch“ gehandelt hat, in den Ruf „mein Mann ist ein Voyeur“ ausbricht. Doch noch lange ist das breite Spektrum des neuen „Express“, der „wahrhaft unabhängig in der Meinung“ ist, nicht erschöpft. Weltpolitik wird „von unserem diplomatischen Korrespondenten“ referiert und so erfährt der „ge-j schätzte Leser“ anläßlich der \ deutsch-sowjetischen Verhand-; lungen in Moskau: „Brandt setzte \ seine dunkle Brille auf.“ I Der Leser, gleichermaßen ver-1 wirrt und beglückt ob der Vielzahl abgehandelter Themen, hält sich freudig an den Werbespruch: ii „ .Express', da weiß man, was 'man hat!“

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