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Sozialkritik in Geschenkpackung

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Nach dem unbeschwerten Schwabing-Scherz von May Spils ist „Tätowierung“ wieder einmal ein neuer deutscher Film der problematischen Sorte. Johannes Schaaf — der Vierunddreißigjährige ist uns bisher als Schauspieler aus dem Ulrich-Schamoni-Streifen „Alle Jahre wieder“ bekannt — hat diesen Streifen inszeniert, und es ist vielleicht kein Zufall, daß der von derselben Produktionsfirma wie Schlöndorffs „Mord und Totschlag“ hergestellte Streifen diesem auch inhaltlich einigermaßen ähnlich geraten ist.

Man ist in Deutschland offensichtlich schon daran, den „jungen“ deutschen Film als Stilrichtung zu kultivieren und zu schematisieren — was eine starke Abwertung darstellt. — Schaaf betreibt als Drehbuchautor und Regisseur Sozialkritik made in Germany 1967. Und die „Familie“, die er sich hier — gleichsam als deutsche Durchschnittsfamilie — konstruierte, sieht recht seltsam aus: Da ist der wohl- situierte Unternehmer Lohmann, der seine leicht angekränkelte Ehe mit einer im Haus wohnenden 19jähri- gen Kusine aufzubessern versucht. Und da ist der 16jährige Benno, ein Außenseitertyp, der schon einmal fast auf die schiefe Bahn geraten wäre und nun von Lohmann adoptiert wird. Benno erweist sich allen Versuchen gegen, ihm eine gesicherte bürgerliche Existenz zu schaffen, als unansprechbar. Ihn stößt vor allem die selbstgefällige, verlogene Weltanschauung von heute, aber auch die genormte, mechanische Güte seines Adoptivvaters ab. Eine Kurzschlußhandlung ist schließlich unausbleiblich.

Der Streifen ist eine zwar etwas exaltiert erfundene und durch Wolf Wirth extravagant photographierte, im übrigen aber keineswegs außergewöhnliche Arbeit des jungen Regisseurs. Schaaf betreibt Sozialkritik nicht aus Überzeugung, sondern vor allem als Selbstzweck: um hier und da einen Gag anbringen zu können (die Autobusse vor der Berliner Mauer zur Musik aus Bachs „Matthäuspassion“), um boshafte Seitenhiebe nach allen Richtungen hin auszuteilen (die Versteigerung). Insgesamt alles sauber verpackt im gefälligen Farbfilmmäntelchen: Sozialkritik in Geschenkpackung.

Alles in allem daher ein zweifellos interessanter und diskussions- würdiger Film der neuen deutschen Welle, gekonnt in der Gestaltung, makellos in der Photographie, sauber in der Darstellung. Er kranjkt lediglich daran, daß seine konstruierte Problematik und gestellte Sozialkritik auf Kosten der Glaubwürdigkeit gehen.

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