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Spitze Stacheln

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„Ein Schwein ohne Stacheln ist kein Stachelschwein“ steht im Programmheft — nach dem Abend im Theater an der Wien wird niemand den Berliner Kabarettisten die Zugehörigkeit zur Familie der Nagetiere abzusprechen wagen: „Die Stachelschweine“ haben ihre Stacheln gezeigt, scharf und spitz.

Ein scharf pointiertes Programm unter dem Titel „Das elfte Gebot“ (es bestand allerdings aus deren sechzehn) teilte vom ersten „Du sollst die Presse lieben, auf daß Du lange lebest auf Erden!“ über das neunte „Du sollst die Geister der Vergangenheit nicht beschwören!“ bis zum sechzehnten „Du Solist als Christ auch Mensch sein!“ Hiebe nach rechts und links und in die Mitte aus, in politische Lager, gegen soziale Mißstände und literarische Fehlentwicklungen, überall dorthin, wo es bekämpfenswerte Zustände gibt: blendend geschriebene Texte, mit Schwung und Können, dem nötigen Ernst und leichter Hand serviert.

Die meisten Berliner Stacheln gingen auch den Wienern unter die Haut; nur einige wenige blieben in den roten Plüschpolstern des Theaters stecken, was aber nicht an mangelnder Aufnahmebereitschaft der Wiener oder mangelnder Treffsicherheit der Berliner, sondern an manchem Thema lag, das dem Wiener Publikum fremd war. Das ist das einzige, was den reinen Genuß dieses Kabarettabends trübte und den Wiener etwas wehmütig an die Zeit denken ließ, als er sich den Spiegel österreichischer Zu- und Mißstände von Merz-Qualtinger-KreislerWehle-Bronner vorhalten lassen konnte.

Die Damen (Ingrid van Bergen, Inge Wolffberg) und Herren (Gustav Arzt, Wolfgang Gruner, Joachim Röcker, Jochen Schröder, Achim Strietzel) zu loben, ist überflüssig: Die Wiener haben mit ihrem herzlichen Beifall bereits alles gesagt. Daß sich die Berliner so offensichtlich darüber freuten, machte den sympathischen Schluß des Abends und läßt auf ein baldiges Wiedersehen hoffen.

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