Zehn Geschichten mit Herkunft

Vor dem 12. März 1938 haben in Österreich etwa 200.000 Juden gelebt, die sich maßgebend an der Kultur ihrer Heimat beteiligten. Der Anteil der jüdischen Literatur an der österreichischen war Jahrzehnte gleichsam Legende. Heute leben kaum mehr äs 15.000 Juden in Österreich, ztunal nach Kriegsende keine einzige offizielle Stelle Überlebende eingeladen hat, in die Heimat zurückzukehren.

Inzwischen sind sich viele Juden ihres Erbes bewußter, auch Assimiherte halten die jüngsten Schatten vom Davonlaufen ab. Nicht erst seit dem „Bedenkjahr" hat Österreich wieder eine jüdische Literatur. Der exemplarischste Vertreter ist wohl der Kaffeehausliterat Robert Schindel, dem der Erstlingsroman Doron Rabi-novicis gevsddmet ist.

Doron Rabinovici ist Historiker, 1961 in Tel Aviv geboren und hierzulande bekarmt als Studentenvertreter, Club-2-Disku-tant und Begründer der Wiener Freundesbewegung der israeü-schen Friedensbewegung „Scha-lom Aschaw - Peace Now". Als Autor hat er in Zeitschriften und Anthologien auf sich aufmerksam gemacht.

In seinem Prosadebüt „Papir-nik" veröffentlicht er zehn „ Stories", die ihre Herkimft, und zwar das Wiener jüdische Ambiente, nicht verleugnen. Rabinovici schreibt vor dem Hintergrund seiner eigenen Biographie, die den Blick auf die Gebürtigkeiten geschärft hat.

Der Erzähler ist amüsant und leichtfüßig, sein Ton elegant und plaudernd, so daß er manchmal -wahrsch^lich ungewollt - an Andrė Heller als Schriftsteller er-iimert. Die Harmlosigkeit verkehrt sich in den Geschichten nicht in Tief-, sondern in Abgründiges. Ein Bankier wird zum Financier eines Bankraubes, ein Massenmörder verantwortet sich in einem Liebesbrief, Frauen verlassen ihre Männer und Freunde betrügen einander. Die „ Stories" multiplizieren Liebe mit Zeitgeist, mit deren Summe wird der Tod dividiert.

PAPIRNIK. Stories. Von Doron Rabinovici. Suhrkamp Veriag, Frankfurt 1994. 134 Seiten, öS 116,-.