Altherrenrunde mit Aufputz

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Es war einmal eine Zeit, da wurde die deutschsprachige Literatur vom Publikum gelesen und von den Rezensenten kritisiert. Doch dann kam die Zeit, in der das Publikum, statt zu lesen, fernsah, und die Rezensenten, statt zu kritisieren, sich selbst darstellten.

Es war einmal eine Zeit, da bat ein deutscher öffentlich-rechtlicher TV-Sender (mit österreichischer Kooperation) den hochgeachteten emeritierten Feuilleton-Chef einer Qualitätszeitung, den Filmkritiker des führenden Nachrichtenmagazins und Österreichs bekannteste Kulturredakteurin plus einen Gast zur Talkshow, in der dem Zuschauer bedeutet wurde, es ginge um Literatur. Doch dann kam die Zeit, in der erotische Anzüglichkeiten des Greises (der geachtete Kritiker drängte mittlerweile ins neunte Lebensjahrzehnt) und die Unempfänglichkeit der inzwischen nach Deutschland entschwundenen Wiener Kulturpublizistin für dessen anzügliche Anspielungen die Gazetten - vom Boulevard bis zu den edelsten Blättern des deutschen Sprachraumes - bewegten.

Sigrid Löffler - in wienerischer Konsequenz - ließ das Literarische Quartett mit dem süffisanten Marcel Reich-Ranicki und seinem Epigonen Hellmuth Karasek (ebenso wie Jahre zuvor das profil und dann die Hamburger Zeit, deren Feuilleton-Chefin sie war) hinter sich.

Fortan soll die ZDF-Talkshow zwar mit weiblicher Besetzung, nicht aber mit ständiger österreichischer Beteiligung weitergehen: Wir, als aufrechte Österreicher, protestieren. Einem Land, das der deutschen Literatur - von Rilke bis Kafka, von Handke bis Jelinek - Unerreichbares geschenkt hat, soll das spätabendliche Kaffeekränzchen, bei dem Dichter und ihr Werk ausgerichtet werden, verschlossen bleiben? Ob dieser Tatsachen raten wir dem ORF dringend, das Literarische Quartett, wenn überhaupt, nur mehr um drei Uhr früh auszustrahlen.

Aber Iris Radisch, Literaturkritikerin der Zeit und Nachfolgerin Löfflers in der Talkshow, hat doch mit Österreich zu tun, sitzt sie doch in der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises!

Wir haben das frischgebackene Quartett-Mitglied bei dieser Tätigkeit in Aktion beobachtet. Und appellieren erst recht, von einer österreichischen Partnerschaft an der literarischen Altherrenrunde mit weiblichem Aufputz Abstand zu nehmen. Und zwar schnell.

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