Boulevard und teure Qualität

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Klaus Harpprecht, Doyen des Qualitätsjournalismus in Deutschland, hat vor einigen Tagen konstatiert, der Vormarsch des Internet würde in den Printmedien die Entwicklung einer "neuen Klassengesellschaft" vorantreiben: Ähnlich wie in den USA werde die Kluft zwischen der "völlig enthemmten Boulevardisierung" und der teurer werdenden "Qualitätspresse" wachsen.

Man muss weder in die USA noch nach Deutschland schauen, um zu sehen, wie recht Harpprecht mit diesen Befunden hat: Auch hierzulande ist die diesbezügliche Entwicklung längst im Gange: Seit September vergangenen Jahres herrscht am Boulevard bekanntlich die VerÖSTERREICHerung vor. Ob die neue Tageszeitung die Vielfalt in der Berichterstattung vergrößert hat, darf durchaus in Frage gestellt bleiben, mit Sicherheit hat sie genau jener Enthemmung des Boulevards Vorschub geleistet, die oben beklagt wurde. Man nehme, nur als Beispiel, die Hatz auf Ex-Bawag-Boss Elsner, die nichts mehr mit seriöser Aufdeckung zu tun hat, sondern - unter Zuhilfenahme aller möglichen Ressentiments - den Banker zum Sündenbock machte.

Der zweiten Klage Harpprechts ist gleichfalls zuzustimmen: Auch hierzulande kämpfen die Qualitätszeitungen mit wirtschaftlichen Nöten - publizistische Qualität ist teuer und immer weniger bezahlbar. Dass die Leser(innen) eine Zeitung finanzieren, ist ja längst obsolet. Folglich müssen auch Qualitätsblätter ihr Geld von anderswo herholen. Dass sie dadurch in - wirtschaftliche - Abhängigkeiten von den Geldgebern geraten können, weiß jeder, der die Branche kennt - und müsste jeder kritische Medienkonsument vor Augen haben. Letztes Wochenende etwa hatten beide führenden Qualitätstageszeitungen ihre komplette Seite 1 an eine heimische Interessensvertretung verkauft. Ein Beispiel, das obigen Befund beredt bestätigt. Otto Friedrich

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