Definitionen von Glück

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"Happy-Go-Lucky" ist ein leichtfüßiges Drama, das die verschiedenen Formen des Glücks im Leben normaler Bürger auslotet.

Die Ergiebigkeit des Themas Glück ist grenzenlos, so wie das Interesse daran. Mitte der 1990er erreichte die britische Band Pulp ihren größten Erfolg damit, einen Hymnus auf das unbeschwertere Leben der Normalbürger, der "Common People", auf die Tanzflächen zu schicken. Genau dort tönt er wieder, und wenn Poppy, die Protagonistin von "Happy-Go-Lucky", zu ihm feiert, dann ist es, als ob Jarvis Cocker schon damals über sie gesungen hätte.

Als Volksschullehrerin führt sie keine mondäne Existenz. Trotzdem oder gerade deshalb besitzt sie eine unerschütterlich fröhliche Art, die für ihre Umgebung geradezu eine Herausforderung darstellt. So geht es auch Fahrlehrer Scott, der sich zwischen den Mantras zum Drei-S-Blick und dem Ärger, dass sie sich weigert, ihre Hochhackigen gegen andere Schuhe zu tauschen, bedrohlich unglücklich in sie verliebt. Poppy wiederum hat es Tim angetan, ein Prinz William in Gestalt eines Sozialarbeiters.

Bei Arbeiten von Mike Leigh ("All or Nothing", "Vera Drake") lässt sich vielmals über definierende Momente reden. Oft gehen sie einher mit Glanzleistungen von Schauspielern, die sich in geldträchtigeren Produktionen üblicherweise in die Ecke des Klischees gedrückt finden. Eddie Marsan zum Beispiel bekam im Actionvehikel "Hancock" (zufälligerweise ebenfalls ab dieser Woche im Kino) den nicht näher ausgestalteten Bösewicht ab. In "Happy-Go-Lucky", in der Rolle des Fahrlehrers, hat er den Raum, eine Figur zu entwickeln, die zu den spannendsten der letzten Zeit zählt: vielschichtig, durch Prinzipien, Ressentiments und unterdrückte Gefühle in sich zerrissen. Ähnlich ist es um Sally Hawkins als zentrale Poppy bestellt: Sie versprüht zwei Stunden lang jene genuine Lebensfreude, die sich scheinbar auf ihre ganze Welt zu übertragen vermag - sogar auf die Sozialbauten, die in Leighs früheren Filmen so karg und grau waren. Vor kurzem aber war sie auch in Woody Allens "Cassandra's Dream" auszumachen: als unterbeschäftigter Scarlett-Johansson-Ersatz.

"Happy-Go-Lucky" nimmt nicht nur in seinem Gebrauch britischer Schauspielklasse eine Sonderstellung ein, sondern auch als leichtfüßiges Drama: Indem der Film nämlich ernste Szenen, auch semidokumentarische am Arbeitsplatz über ein Problemkind, einbaut, ohne Schwung oder Stimmung zu beschädigen. Dazu gehört ebenfalls eine bedrückende Konfrontation gegen Schluss. Wiederholt kippt das Geschehen unvermittelt, findet aber immer elegant zurück. Das macht den Film ungewöhnlich sonnig, wenngleich gar nicht ungewöhnlich für Mike Leigh: zum gelungenen Kunststück nämlich, über Normalbürger.

HAPPY-GO-LUCKY

UK 2008. Regie: Mike Leigh.

Mit: Sally Hawkins, Alexis Zegerman, Eddie Marsan, Samuel Roukin.

Verleih: Tobis. 118 Min.

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