Der Schrecken von "Little Boy"

Werbung
Werbung
Werbung

Man nannte die Anlage nur "the Hill" - der Hügel. Größte Geheimhaltung war damals im Jahr 1943 geboten, als sich eine Gruppe hochkarätiger, großteils aus Europa geflohener Wissenschafter um den US-Amerikaner J. Robert Oppenheimer daranmachte, im Rahmen des "Manhattan Projects" an der Atombombe zu feilen. Sie sollte Hitler den Garaus machen und den Zweiten Weltkrieg beenden.

Das Projekt gelang - und hatte verheerende Folgen: Am 6. August 1945 wurde "Little Boy" (Bild), eine Atombombe mit Uransprengsatz, über der japanischen Stadt Hiroshima abgeworfen. Bis zu 200.000 Menschen starben. Drei Tage später fiel der mit Plutonium bestückte "Fat Man" auf Nagasaki. Bis heute wird darüber diskutiert, ob es wirklich dieses Massenmordes bedurfte, um Frieden zu schaffen.

In Los Alamos, jener Kleinstadt 56 Kilometer nordwestlich von Santa Fe im US-Bundesstaat New Mexico, wo die Bombe einst entwickelt wurde, wird indes weiter geforscht. Die Wissenschafter im "Los Alamos National Laboratory" (LANL) arbeiten hart daran, das (geschrumpfte) Atomwaffenarsenal der USA - seit 1989 wurde keine neue Bombe mehr hergestellt - einsatzfähig zu halten. Keine leichte Aufgabe, schließlich sind seit 1992 Atomtests verboten. So behilft man sich mit Computersimulation, um etwa die Alterungsprozesse von Plutonium rekonstruieren zu können.

Dieses giftigste aller Metalle ist auch das Spezialgebiet von Sig (Siegfried) Hecker. 1943 in Polen geboren, verbrachte er seine Kindheit im steirischen Rottenmann. 1956 ging er mit seiner Familie nach Amerika und kam 1965 als Praktikant nach Los Alamos. Nach einem Intermezzo bei General Motors kehrte er 1973 in die Forschungsstätte zurück. 1986 - mitten in Ronald Reagans "Star Wars" gegen das "Reich des Bösen" - wurde er Direktor des LANL. Er war der erste, dem 1992, nach der Implosion der UdSSR, ein Besuch der geschlossenen Stadt Sarow, des russischen Pendants zu Los Alamos, erlaubt wurde. Seit seinem Abgang als Leiter des LANL 1997 ist Sig Hecker in Sachen Abrüstung unterwegs. Erst im Jänner leitete er eine inoffizielle US-Delegation nach Nordkorea.

Derzeit arbeiten am LANL 13.500 Wissenschafter aus aller Welt, darunter 8.000 Angestellte der University of California. Ihr Forschungsspektrum geht weit über "Nationale Sicherheit" hinaus, wenngleich noch immer 73 Prozent des Jahresbudgets von 2,2 Milliarden Dollar dafür aufgewendet werden. Die menschliche DNA ist ebenso im Fokus wie HIV-Viren oder der Erreger von Anthrax (Milzbrand).

Zugang zu "classified data", also zu geheimer Information - etwa über das genaue Design der Atomwaffen, ihren Lagerort oder die Kooperation mit den Geheimdiensten - haben nur US-Bürger. Trotz dieser "Sicherheitsvorkehrung" sind vor drei Monaten zwei Disketten mit Geheiminformationen verschwunden. DH

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung