Ein gewolltes Pompeji

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"Still Life" erzählt von zwei chinesischen Schicksalen vor dem Hintergrund des Drei-Schluchten-Staudamm-Projekts.

Als im Vorjahr der chinesische Film Still Life von Jia Zhang-Ke in Venedig den Goldenen Löwen gewann, war die Überraschung groß. Schließlich war der Film als Überraschungstitel ins Rennen gegangen, weil es Probleme mit der chinesischen Zensur gab. Titel und Inhalt wurden erst auf dem Festival bekannt, um das Kommen des Regisseurs nicht zu gefährden.

Still Life muss für die Zensurbehörde eine Katastrophe gewesen sein: Jia Zhang-Ke erzählt zwei Geschichten vor dem Hintergrund des Drei-Schluchten-Staudamm-Projekts, das seit 2006 in Betrieb ist. Von offizieller chinesischer Seite bringt der Staudamm bloß Vorteile. Doch der Bau veränderte die Städte vor Ort. Fengjie etwa ist eine Stadt, die vom nunmehr aufgestauten Jangtse vollkommen verschluckt wurde. Ihre Menschen mussten wegziehen.

Noch zuvor setzt Regisseur Zhang-Ke an: Er erzählt zwei parallel laufende Geschichten: Ein Minenarbeiter aus der fernen Provinz sucht nach seiner vor Jahren geflohenen Frau, die er als Mädchen ihren Eltern abkaufte. In der zweiten Geschichte sucht eine Krankenschwester nach ihrem Ehemann, der vor zwei Jahren verschwand. Beide Geschichten führt Jia Zhang-Ke in der Stadt Fengjie zusammen. Die Krankenschwester trifft dort einen Archäologen, der ihr bei der Suche hilft, der Minenarbeiter will in einem Bautrupp mitarbeiten, der damit beschäftigt ist, die Häuser in der Stadt abzureißen. Am Staudamm wird gebaut, oben in den Bergen thront ein Schriftzug, der den Wasserhöchststand markiert, der hier einmal herrschen soll. Unter sich wird diese unvorstellbare Wassermasse schließlich all die Leiden und Geschichten, die sich hier zutragen, begraben. Ein gewolltes Pompeji, sozusagen.

Ein Film, der allein wegen seiner politischen Dimension den Goldenen Löwen (und die Aufmerksamkeit des Publikums) verdient hat, weil er zwar Einzelschicksale zeigt, aber damit auch die Struktur der neuen Weltmacht China aufzuschlüsseln versucht. Der Blick hinter die Kulissen dieses Superstaates lohnt den Besuch im Kino.

Regisseur Zhang-Ke hat in einem Interview mit der deutschen taz übrigens versichert, die Zensur habe keinerlei Szenen des Films verändern lassen, weil er ihre Beschwerden mit Sachargumenten entkräften konnte. Jedoch, so Zhang-Ke, agiere die Zensurbehörde höchst willkürlich: Sein Kollege Lou Ye wurde zu fünf Jahren Berufsverbot verurteilt. Zhang Ke: "Das sind gewöhnliche Parteigenossen, die keine Ahnung von Film haben."

Still Life - Sanxia haoren

China 2006. Regie: Jia Zhang-ke.

Mit Han Sanming, Zhao Tao, Wang Dongming. Verleih: Stadtkino, 108 Min.

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