Ein Informations-Vakuum

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Chinas Regierung greift erneut in die Zensur-Trickkiste - denn während der olympischen Spiele soll sich am besten alles nur um den Sport drehen.

Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele hat das chinesische Regime in ihrer Zensur-Freude dem World Wide Web erneut einen Riegel vorgeschoben. Betroffen sind dabei vor allem Websites von Menschenrechtsorganisationen, von ausländischen Medienunternehmen wie BBC sowie von exiltibetischen Gruppierungen, die nun gesperrt sind. Chinas 250 Millionen Internet-User sollen sich nur noch mit einem beschäftigen: Sport.

"Mit dem Sperren kritischer Internetseiten wird ein inakzeptables Informations-Vakuum erzeugt. Es ist der Gipfel der Unterdrückung von Meinungsfreiheit", kritisiert Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen (ROG), Österreich. Die Entscheidung des Regimes sieht Möhring als neuerlichen Tiefschlag für die Medienfreiheit in China. Ein schöner Schein für Olympia. "Die ganze Welt wird auf dieses Land schauen, daher will man eine kritiklose Berichterstattung. Sport soll während Olympia das einzige Thema sein."

"Große Mauer" im WWW

Wer in den letzten Jahren ein Internet-Café in China besucht hat, wird vielleicht eines gemerkt haben: Gibt man dort im Google oder bei Yahoo Wörter wie "Demokratie", "Menschenrechte" oder "Unabhängigkeit für Taiwan" ein, erhält man keine Ergebnisse. China betreibt ein Online-Zensursystem, das weltweit seinesgleichen sucht. Es gibt sogar eine Onlinepolizei, die das Internet nach verbotenen Inhalten durchforstet. Solche Websites werden dann geblockt, so dass die Informationen nicht mehr rezipiert werden können. Die westlichen IT-Firmen ziehen dabei mit, weil sie sich lukrative wirtschaftliche Deals mit China erhoffen.

TV-Sender ausgeknipst

Das Sperren kritischer Websites und Blogs ist nicht genug. Auch der Fernsehsender "New Tang Dynasty Television" (kurz NTDTV) musste in diesem Sommer unfreiwillig seine Pforten schließen. NTDTV galt als erster unabhängiger Sender, der unzensiert ein breites Nachrichten- und Unterhaltungsprogramm auf Chinesisch sendete. Berichte über Menschenrechtsverletzungen, Christen im Untergrund, die SARS-Epidemie, die Unterdrückung von Tibet oder die Verfolgung der Mitglieder der Falun Gong-Sekte standen auf der Agenda von NTDTV. Chinesische Journalisten in den USA bauten den Sender mit Hauptsitz in New York nach Vorbild westlicher Fernsehanstalten auf. "Wir wollten den chinesischen Zuschauern die Möglichkeit geben, die Vorteile einer freien Presse zu kosten," erklärt NTDTV-Präsident John Lee. Der Sender war Chinas Regierung stets ein Dorn im Auge. NTDTV galt zwar als verboten, konnte aber über Satellit von Millionen chinesischer Haushalte empfangen werden. Damit ist jetzt jedoch Schluss.

Der europäische Satellitenbetreiber Eutelsat stellte Anfang Juni die Übertragung des Senders ohne Vorwarnung ein. Der Grund: schwere technische Probleme. Milene Wirth-Firnandez, NTDTV-Korrespondentin, nennt aber eine andere Ursache: "Eutelsat stand schon lange unter Druck der chinesischen Regierung. Peking versprach Eutelsats Präsidenten, Giuliano Beretta, lukrative Geschäfte - und plötzlich gab es NTDTV nicht mehr in China." ROG liegt sogar ein Telefonat eines Eutelsat-Mitarbeiters vor, in dem dieser zugibt, dass technisches Gebrechen nicht der Grund für den Übertragungsstopp war. Eine Stellungnahme von Eutelsat zu den Vorwürfen gibt es bisher nicht.

"Richtige" Nachrichten

"Wir erhalten täglich gut 500 E-Mails, in denen Zuschauer uns bitten, wieder zu senden", erklärt Lili Kirner, chinesische NTDTV-Korrespondentin. Ebenso im Blog der Sender-Homepage: "Ich wusste nicht, was richtige Nachrichten sind, bevor es NTDTV gab", schreibt ein anonymer Zuseher.

Nun ersucht NTDTV um internationale Unterstützung, im besten Fall, um einen eigenen Satelliten finanzieren zu können. Zusagen gab es bereits vom Europäischen Parlament sowie den USA. Von der chinesischen Regierung kann sich NTDTV nichts erwarten. Die ist ohnehin viel zu beschäftigt mit Olympia.

INFORMATIONEN:

Reporter ohne Grenzen: www.rog.at

www.ntdtv.com

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