Eine verkorkste Karriere

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Musik als durchgängiges Filmthema ist dem Fan der Gebrüder Coen schon seit der in der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre angesiedelten Südstaaten-Odyssee "O Brother, Where Art Thou?“ geläufig. Wie George Clooney & Co mit dem musikalischen Idiom der Gegend und der Zeit reüssierten, hat sich längst in die Filmgeschichte geschrieben, obwohl die Coens da noch acht Jahre auf ihre Oscar-Krönung (2008 für "No Country For Old Men“) warten mussten. Man sollte sich nicht wundern, wenn auch für ihr neuestes fulminantes Opus "Inside Llewyn Davis“ der eine oder andere Oscar längst bereitsteht. Verdient hat es sich der Streifen ohne Zweifel.

Natürlich denkt man schon im ersten Augenblick von "Inside Llewyn Davis“ an Bob Dylan, auch wenn der Protagonist des Films, ein Schlemihl von verkrachtem Folksänger, alles dazutut, sich die vielversprechende Karriere zu versauen. Und das bei dieser tollen Musik. Aber wer der Hinterhältigkeit der Coens anheimfällt - und sei es nur als Filmfigur - um den ist es längst geschehen.

Der Plot führt zurück in den Winter 1961, nach New York, genauer: ins dortige Künstler-Grätzel Greenwich Village. Llewyn tritt im "Gaslight Café“, dem Kultort für (angehende) Folk-Stars, auf - und findet sich danach mit blutender Nase in der Gosse wieder. Auch wenn sie erst zum Abschluss des Filmes ein wenig aufgeklärt wird, erzählt diese szenische Konstellation schon alles, was der Zuschauer übers die verkorkste Laufbahn des Titelhelden wissen muss.

Und dann die Katze der Gorfeins: Llewyn, der zu allem Überdruss auch noch obdachlos ist, übernachtet bei seinen Akademiker-Freunden in der Upper West Side auf der Couch. Doch der Tollpatsch lässt die Tür hinter sich ins Schloss fallen, auf dass er und eben die Katze vor der verschlossenen Wohnung stehen. Also macht sich Llewyn samt dem Vieh wieder ins Village auf, steigt über die Feuerleiter in die Bleibe seines besten Freundes Jim Berkey, gleichfalls Folksänger, und dessen Frau Jean ein. Aber dort gibt es für die Katze auch kein rechtes Asyl, zumal Jean Llewyn eröffnet, dass sie von ihm schwanger ist. Und sein Plattenproduzent quält den Musiker mit der Botschaft, dass sein erstes Soloalbum - sein Gesangspartner hat nämlich Selbstmord begangen - niemand,aber auch wirklich niemand kaufen will.

Gestalten aus dem Coen-Kosmos

Der Plot von "Inside Llewyn Davis“ hält also jede Menge an Schrägem und Hinterfotzigkeiten, wie man es sich von einem Coen-Film erwarten darf, bereit. Zusammen mit dem Look des ganz klassisch analog gedrehten Films gelingt den Filmemachern einmal mehr ein Feuerwerk ihrer Kunst. Aus dem bekannten Coen-Kosmos ist John Goodman dabei als ein - no na - übergewichtiger Jazzmusiker, der sein Zusammentreffen mit Llewyn im Koma beschließt.

Es sind aber vor allem drei der Darsteller, die das filmische Konzept von "Inside Llewyn Davis“ ganz und gar aufgehen lassen: Oscar Isaac war ein genialer Griff für die Verkörperung des Protagonisten. Er musste ja gleich mehrfach überzeugen - und das tut er! Zum einen bringt Isaac das - auch schmuddelige - Flair der Folkszene Anfang der 1960er-Jahre authentisch auf die Leinwand. Zum anderen taugt er zur perfekten Coen-Filmgestalt - eine durch und durch tragische Figur, die kein lachendes Auge trocken lässt. Zuletzt war das Michael Stuhlbarg 2009 in der leider etwas unterschätzten Coen-Farce "A Serious Man“ gelungen. Und zum dritten hält Isaac auch als Sänger und Folk-Interpret das, was man sich von ihm verspricht.

Daneben sind vor allem Justin Timberlake als Llewyns bester Freund Jim Berkey und Carey Mulligan als Jean Berkey zu nennen. Darüber, dass Justin Timberlake "auch“ singen kann, ist wohl kein Wort zu verlieren. Doch auch Mulligan steht ihm da wenig nach. Wie sie (gemeinsam mit Stark Sands in der Nebenrolle des Troy Nelson) als Peter, Paul and Mary-Verschnitt deren 60er-Jahre-Hadern "500 Miles“ trällern, dürfte kaum zu toppen sein. Wie auch der gesamte Soundtrack, darunter auch "Farewell“ von Bob Dylan und "Green, Green Rocky Band“ von Dave Van Ronk, dessen Autobiografie die Coens zum Film inspiriert hat, einsame Klasse ist.

Inside Llewyn Davis

USA 2013. Regie: Joel & Ethan Coen. Mit Oscar Isaac, Justin Timberlake, Carey Mulligan, John Goodman, Stark Sands. Constantin. 104 Min.

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